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Die Rose von Byzanz

Die Rose von Byzanz

Titel: Die Rose von Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
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blickte Johanna ihm nach. Die Tür knallte zu. Er schien geradezu erleichtert zu sein, die Frauen allein lassen zu dürfen.
    „Hübsch“, sagte Livia. Sie hinkte zu einem Durchgang, der zur Rechten in den nächsten Raum führte. „Wenigstens wird es uns an nichts fehlen.“
    Durch eine Tür zur Linken betrat nun eine ältere Frau den Vorraum. Ihre Augen huschten rastlos hin und her. „Ich bin Ermingard“, sagte sie leise und neigte den Kopf. „Ich bin von nun an eure Dienerin.“
    „Dienerin?“, echote Johanna, doch etwas anderes schoss ihr zugleich durch den Kopf. Ermingard war ein fränkischer Name. Stammte diese Frau etwa aus ihrer Heimat?
    „Der Herr kümmert sich um manche seiner Sklaven besonders gut“, erwiderte Ermingard müde. Das graue Haar hatte sie streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten, der über ihre Schulter nach vorne fiel. Die braunen Augen musterten Johanna prüfend. „Du bist eine Fränkin.“
    „Ja, ich stamme aus einem Dorf am Fluss …“
    „Nein, erzähl es mir nicht“, unterbrach Ermingard sie beinahe feindselig. „Ich will es gar nicht wissen.“ Johanna schwieg verwirrt. „Folgt mir. Ihr seid bestimmt müde und hungrig.“
    Tausend Fragen brannten Johanna auf der Zunge, doch machte Ermingard nicht den Eindruck, besonders auskunftsfreudig zu sein. Livias Gesicht, das schon zuvor zu einer Maske erstarrt war, wirkte inzwischen wie ein Schatten. Als versuchte sie, jedes Gefühl auszublenden und sich unsichtbar zu machen. Sogar ihr Hinken war plötzlich nicht mehr so ausgeprägt, obwohl sie bei jedem Schritt leicht zusammenzuckte, als bereitete es ihr mehr Schmerzen, so zu laufen.
    Ermingard führte sie in einen großen Raum. Am Ende des Raums stand ein Tisch, auf den zwei Sklaven gerade Platten und Schüsseln mit Köstlichkeiten abstellten. Johannas Magen knurrte vernehmlich. Irrte sie sich, oder huschte ein zartes Lächeln über das Gesicht der älteren Frau? Doch sogleich hatte sie wieder ihre starre Maske aufgesetzt, hinter die niemand blicken durfte.
    „Esst“, sagte sie knapp. „Ich hole die Kleider und lasse euch ein Bad richten. Ihr stinkt nach Dreck und Sklavenmarkt.“
    Ihre Schritte verhallten auf dem Steinfußboden, begleitet vom leisen Wischen ihres bodenlangen Kleids.
    Aufseufzend ließ Livia sich auf einen Hocker fallen und zog eine der Schüsseln heran. Kaltes Hühnchen, Früchte in allen nur erdenklichen Farben und Formen, weiches Brot und ein dampfender Eintopf warteten auf ihren Hunger. Johanna ließ sich zögernd neben Livia nieder.
    „Was ist das hier?“, fragte sie.
    „Das, Schwester, ist unser neues Gefängnis. Bisschen luxuriöser als unser altes beim guten Kallistos, aber immer noch ein Gefängnis.“ Gierig biss Livia in einen Hähnchenschenkel. Kaltes Fett troff auf ihr Kinn, doch sie machte sich nicht die Mühe, es abzuwischen.
    „Gefängnis?“
    „Stell dich nicht so dumm an. Hier wird es dir nichts nutzen.“ Seufzend legte sie das Hühnchen beiseite und griff nach einem aufgeschnittenen Granatapfel. Während sie die Kerne herauspulte und von den Fingern leckte, verhärteten sich ihre Gesichtszüge. „Die Nubierin hat mir letzte Nacht erzählt, du wärst stets die Stärkste von euch gewesen. Hättest ihm die Stirn geboten.“
    „Ist das so?“ Livias Worte überraschten Johanna. Mit der Nubierin hatte sie nie viel zu schaffen gehabt.
    „Beim Sklavenhändler wären wir besser aufgehoben. Der hier sorgt zu gut für uns. Der wird uns jemanden schicken, der unsere Glieder und Rücken mit Duftölen massiert, er wird uns in teure Stoffe hüllen, die unsere Narben verbergen, wenn er beginnt, seine Lust an uns auszuleben. Hast du die Dienerin gesehen?“
    Johanna nickte bang.
    „Sie hat schon viele wie uns kommen sehen. Und genauso oft sind sie wieder verschwunden. Aber“, Livia beugte sich vor, „die wenigsten gehen so, wie sie gekommen sind.“
    „Das versteh ich nicht.“
    Livia seufzte. „Ich kann’s mir denken. Du weißt eben nichts über die Grausamkeit dieser Welt.“
    Johanna wollte protestieren.
    „Wie auch immer“, kam Livia ihr zuvor. „Du darfst dich nicht blenden lassen. Es scheint nur das Paradies zu sein. Vergiss das nicht!“
    Es fiel Johanna schwer, den Worten Glauben zu schenken. Zumal ihr neuer Besitzer so anders gewirkt hatte. So als machte er sich wirklich Sorgen um ihr Wohlergehen.
    „Das alles tut er nur, weil es ihm um das eigene Vergnügen geht“, sagte Livia, als könnte sie ihre Gedanken lesen.

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