Die Rose von Byzanz
„Ja, brauchst mich gar nicht so anzuschauen. Ich seh doch, wie du verzweifelt versuchst, dich in ihn zu verlieben, damit es dir leichter fällt, das Bett mit ihm zu teilen. Ich war früher auch so, ich habe meinen Stolz runtergeschluckt und wollte ihnen gefallen.“
„Aber ich …“
„Du bist froh, dass er dich ersteigert hat, denn er ist nicht so abstoßend wie diese fetten Hurenhausbesitzer, die dich heute Nacht erst eingeritten und anschließend auf einem Strohlager hätten schlafen lassen, das von der Pisse deiner Vorgängerin stinkt. Und natürlich, hier ist es schön , aber du darfst nie vergessen, dass du sein Eigentum bist. Du bist nicht frei, ihn zu lieben, Schwester. Du bist seine Sklavin und wirst es immer bleiben, wenn du nicht deinen Geist vor den Schönheiten verschließt, mit denen er dich verführen will.“ Sie stürzte einen Becher Wein herunter. „So sieht’s nämlich aus. Du magst ihn nicht, weil er so nett ist, sondern weil er’s dir bequem macht. Und dann erträgst du’s, dass er Nacht für Nacht zwischen deinen Schenkeln liegt, bis du wund bist, und dir danach mit Ölen die Rosette geschmeidig reibt, um dich in den Arsch zu ficken. Du wirst ihm dankbar sein, wenn er das tut, weil du glaubst, er würde es deinetwegen tun, um deiner wunden Möse eine Pause zu gönnen, und in der nächsten Nacht wirst du dankbar sein, weil du seinen Schwanz lutschen darfst, denn das andere hat dir auch nicht gefallen. Und so wird’s immer weitergehen, du wirst ihm ständig dankbar sein, dabei ist Dankbarkeit beileibe nicht das, was Mann und Frau verbinden sollte. Leidenschaft, verstehst du überhaupt etwas davon?“ Sie schenkte sich aus einer Silberkanne Wein nach.
„Ich weiß nicht“, stotterte Johanna. Sie war bei den deutlichen Worten knallrot geworden und zitterte. Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper. Sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was Mann und Frau taten, ja. Nicht zuletzt jene Abende mit Konrad hinterm Backhaus hatten sie davon kosten lassen. Aber Livias deutliche Worte machten ihr Angst.
„Er wird dich so lange nehmen, bis ihm die Lust daran vergeht. Er wird deinen Körper loben, dich für deine Schönheit preisen, aber du wirst deinen Körper hassen, weil er ihn begehrt. Du wirst beginnen, dich selbst nicht mehr zu achten. Das wird passieren. Du wirst dir wünschen, hässlich zu sein, damit er dich endlich in Ruhe lässt.“
„Hör auf!“, kreischte Johanna. Keinen Moment länger ertrug sie diese Schilderungen. Sie sprang auf.
„Setz dich wieder hin.“ Eine dunkle Stimme erklang von der Tür.
Sie fuhr herum. Im Durchgang stand eine Frau. Ihre Schönheit strahlte so hell, obwohl sie nicht im Licht der Lampen stand, die im ganzen Raum verteilt waren. Geschmeidig schritt sie auf den Tisch zu und stellte sich an das Kohlebecken, das neben dem Tisch stand und Wärme verbreitete.
Sie wandte ihnen das Profil zu und hielt ihre Hände über die glühenden Kohlen.
Johanna sank zurück auf die Bank.
„Ihr seid die neuen Mädchen?“
Sie schien keine Antwort zu erwarten, also schwieg Johanna und wartete,bis sie weitersprach.
„Ich heiße Theodora.“ Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie den Kopf wandte und nacheinander Livia und Johanna musterte. Der Fackelschein tanzte auf ihrem Gesicht und ließ die Haut ihrer linken Gesichtshälfte wie eine Kraterlandschaft aus Linien und Furchen flirren. Es dauerte einen Moment, bis Johanna begriff, dass es keine Illusion war, sondern entstellende Narben, die sich bis zum Ausschnitt des Kleids hinabzogen und darunter vermutlich noch fortsetzten. Sie keuchte auf.
„Na, jetzt hältst du mich wohl für ein Monster.“ Theodora wandte sich ihr zu, sodass Johanna das ganze Ausmaß der Entstellung sehen konnte. Prüfend musterte sie die beiden Frauen. „Welchen Makel habt ihr?“
„Ich ziehe mein Bein nach. Ist passiert, als ich verprügelt wurde.“
Theodora nickte, als überraschte sie das nicht.
„Und du?“
„Ich verstehe nicht …“ Nein, soweit Johanna wusste, hatte sie keinen Makel. Oder war ihr rotes Haar ein Schandfleck?
„Du hast keinen Makel? Keine Narbe? Nichts?“ Theodora war überrascht.
Kurz dachte Johanna an die Narbe, die ihren Bauch entstellte. Aber das konnte Andronikos nicht wissen, er hatte sie nicht nackt gesehen.
„Es gibt da was“, gestand sie schließlich. „Doch davon kann er nicht wissen.“
„Es wird ihn freuen, wenn er’s sieht. Aber wenn er dich nicht aus
Weitere Kostenlose Bücher