Die Rose von Byzanz
trägt er Salben auf deine Wunden auf, lässt einen Bader kommen, der deine Brüche richtet, er lässt Ermingard kommen, dass sie dich pflegt. Dann ist er ganz um dich besorgt und bedauert, dass er dir so wehtun musste. Aber du spürst noch seinen klebrigen Samen auf deinem Bauch und deinen nackten Brüsten, den er auf dich abgespritzt hat, als deine Schmerzen ihm größte Lust bereiteten.“
„Hör auf, hör auf!“ Johanna legte ihre Hände auf die Ohren. Sie spürte das Blut in ihren Adern rauschen. Wie konnte ein Mann so grausam sein? Wie konnte ihm etwas Lust bereiten, das andere so sehr schmerzte?
Sie erinnerte sich all der Schmerzen, die sie auf ihrem Weg in diesen Palast erlitten hatte. An den Verlust ihrer Familie, den Verlust ihres Bräutigams … Nein, nicht weiter nachdenken, sie spürte bereits, wie ihr die Galle aufstieg und ihren Mund bitter überflutete, weil die Erinnerung sie zurück an den nassen, kalten Strand brachte, wo sie über dem Leichnam des Mannes kauerte, mit dem sie nie das Ehebett hatte teilen dürfen.
Livia begann nun auch zu essen und pickte einzelne Stücke Obst aus der Schale. Sie kaute, der rote Saft einer Frucht, die Johanna nicht kannte, rann ihr am Mundwinkel herab.
Sie ließ die Hände in ihren Schoß fallen und starrte Livia stumm an. Theodora hatte es nicht gesehen, und wenn sie es gesehen hatte, so kümmerte es sie nicht, dass Livia gerade aussah wie eine, die verblutete.
„Wie schlimm ist es?“, fragte Livia, wischte mit dem Handrücken über ihren Mund und nahm sich auch vom Brot, griff mit der anderen Hand nach dem silbernen Kelch, in dem der Wein blutrot schimmerte.
Johanna stand auf. Sie ertrug es nicht länger. Sie glaubte, in einem Traum gefangen zu sein wie schon letzte Nacht, und ihre Finger tasteten erneut über die Lippen, ob sie vernäht waren. Damit sie nicht schrie.
„Nun, ich würde sagen: sehr schlimm. Es gelingt mir manchmal, ihn davon abzulenken, er mag es nämlich, zwei Frauen beim Liebesspiel zuzusehen, das ist ihm manches Mal genauso lieb, und dann schnappe ich mir einfach ein Mädchen. Die letzten Wochen war ich allein. Aber er war selten hier.“ Nach kurzer Pause fügte Theodora hinzu: „Das wird sich vermutlich ändern, wenn er euch hergeschickt hat.“
„Mir ist es lieber, es mit einer Schwester zu tun, als mir von ihm meine makellose Haut in Stücke reißen zu lassen.“
„Er merkt bloß, wenn’s dir nicht gefällt. Dann ist er um ein Vielfaches gnadenloser.“
Johanna verstand nur die Hälfte von dem, was die beiden da redeten, aber das wenige ließ sie erröten. Ihre Finger krampften sich in den Stoff ihres Kleids. Sie wäre in diesem Moment gerne weggelaufen, hätte das Geschwätz der beiden anderen Frauen gerne hinter sich gelassen, hätte es allzu gerne vollständig ausgeblendet.
Aber Theodoras Stimme grub sich unnachgiebig in ihre Eingeweide. „Du musst es mögen, eine Frau zu küssen und sie zu berühren. Du musst darin gut sein, musst ihr Lust schenken und auch dir Lust schenken lassen. Er weiß, wann du ihn darum betrügst. Es hat schon mal ein Mädchen das Leben gekostet.“ Ihre Stimme, die zuvor so vogelleicht gewesen war, senkte sich zu einem Flüstern.
„Ich vermag es wohl, und du wirst es auch können, denke ich“, erwiderte Livia. Ein Weinkelch klapperte auf dem Tischchen. „Aber was ist mit dir, Unversehrte?“
Johanna drehte sich nicht um. Sie wollte nicht den Spott in den Blicken lesen, nicht die Verachtung in den Bewegungen der beiden spüren.
„Hast du schon mal ein Mädchen geküsst?“
Johanna spürte eine Bewegung hinter sich. Theodora war aufgestanden und trat zu ihr; ihre Stimme war beinahe zärtlich. Sie wagte nicht, sich zu rühren, als Theodora ihr die Hand auf die Schulter legte und sie mit sanftem Nachdruck zu sich herumdrehte. „Es kann in diesem Palast überlebensnotwendig sein. Willst du leben?“
„Wie schaffst du es, zu überleben?“, stellte Johanna die Gegenfrage.
Theodora zog die Hände zurück, als hätte sie sich an Johannas Haut verbrannt.
Sie hörte die Vögel zwitschern und vermeinte sogar das Wispern des Winds auf ihrer Haut zu spüren.
„Ich habe gelernt, zu leiden“, flüsterte Theodora.
Johanna wusste, dass sie das nie lernen konnte. Wenn ihr Hass starb, wenn sie sich fügte, sich ergab, war das ihr Tod. Wenn sie verstummte, verlor sie. Das durfte nie geschehen.
„Da sterbe ich lieber, statt mich ihm zu ergeben.“ Sie fröstelte, als ahnte sie Theodoras
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