Die Rose von Byzanz
sich, wie sie geschrien hatte, als Andronikos zu ihren Füßen tot zusammenbrach.
„Ich weiß.“ Diesmal gestattete Johanna, dass Irene ihre Hand nahm. „Ich werde veranlassen, dass er heute Nacht im Kerker bleibt.“ Sie zögerte. „Bei Morgengrauen warten bei den Ställen zwei gesattelte Pferde für euch.“
Johanna beobachtete, wie die Waräger Eirik grob hochzerrten. „Sie sollten mich auch festnehmen.“
„Du hast recht. Es wird für euch einfacher zu fliehen.“ Sie beugte sich zu Johanna herüber. Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als sie wisperte: „Ich schicke euch Ermingard, sie ist die Verlässlichste unter den Dienern. Sie wird euch zu den Ställen führen. Ich sorge dafür, dass ihr ungesehen fliehen könnt.“
„Warum tust du das für uns?“, flüsterte Johanna.
Irene lächelte müde. „Sagen wir, ich begleiche damit gewissermaßen meine Schuld.“
Sie stand mit einer fließenden Bewegung auf und winkte den Waräger heran. Sein lüsternes Grinsen wich Enttäuschung, als sie ihm erklärte, Johanna müsse mit Eirik zusammen im Kerker bleiben über Nacht.
Er fesselte Johanna. Seine Hände waren grob und berührten sie an Stellen, an denen er sie nicht berühren müsste, um sie zu fesseln. Als er das dritte Mal scheinbar ungeschickt ihre Brüste abtastete, spuckte sie ihm ins Gesicht.
Danach war er nur noch grob zu ihr.
Als er sie zum Kerker brachte, musste er sie durch den Raum führen, in dem Andronikos noch immer in seinem eigenen Blut lag. Johanna wandte den Blick ab.
Und dann hörte sie etwas. Einen lang gezogenen Klagelaut, ein Rufen, ein Kreischen. Schritte, die sich rasch näherten.
Die Männer an der Tür wichen zurück und machten Platz für Theodora, die hereinstürzte. Ihr Gesicht wirkte noch viel mehr als sonst wie die Fratze eines Monsters – die eine Seite von Tränen überflossen, rot und verzerrt, die andere starres weißes Narbengewebe. Sie stürzte vor, sank neben Andronikos’ Leichnam zu Boden und nahm seinen Körper in die Arme. Sie weinte, klagte, wiegte ihn. Ihr weißes langes Unterhemd saugte sich mit seinem Blut voll.
Ob es ein Trost war, dass es immerhin einen Menschen gab, der aus vollem Herzen um Andronikos trauerte?
Der Waräger packte Johanna grob am Arm und stieß sie vorwärts.
Bis zum letzten Moment fürchtete Johanna, der Waräger könnte sich Irenes Befehl widersetzen und sie nicht mit Eirik in eine Zelle sperren. Erst nachdem er sie in ein finsteres Loch gestoßen hatte und sie weich auf einem anderen Körper landete, begann sie Hoffnung zu schöpfen.
„Da hast du was zum Spielen für deine letzte Nacht auf Erden. Grüß’ mir Walhall“, fügte er hinzu. Dann knallte die schwere Tür zu. Sie hörte das Knirschen des Riegels, ein Klicken. Stille.
„Eirik?“, flüsterte sie. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen ans Dunkel.
„Johanna.“ Seine Arme legten sich linkisch um ihren Körper; da er ebenso wie sie gefesselt war, kostete es ihn einige Mühe, zumal die Dunkelheit ihrem Unterfangen nicht gerade zuträglich war.
„Eirik!“ Sie schluchzte vor Erleichterung auf. „Ich habe so schreckliche Angst!“
„Schhh … das glaube ich nicht. Mein kleines Feuermädchen kennt keine Angst.“
Wenn du wüsstest …
„Was hat Irene dir gesagt, ehe der Waräger dich gefesselt hat?“
„Sie lässt uns raus, morgen früh. Ermingard kommt, und im Stall warten gesattelte Pferde auf uns.“ Sie schwieg kurz. „Ich kann nicht reiten.“
„Das schaffen wir, mein Herz.“ Sein Mund legte sich auf ihr Haar; sie glaubte, sein Lächeln zu spüren.
„Was ist?“, wisperte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Es ist nur … da sehen wir dem Tod ins Auge, und mein Schwanz hat nichts anderes im Sinn, als dich bei nächster Gelegenheit …“
Ihre Anspannung brach sich mit einem leisen Lachen Bahn.
„Warum nicht?“, neckte sie ihn. Die Hitze seines Körpers ließ auch ihr keine Ruhe. Das und die Erinnerung an die letzte Nacht brachten sie auf eine Idee. Sie tastete nach seinem Schritt, spürte seinen harten Penis, der sich unter dem Stoff abzeichnete. „Wir haben die ganze Nacht Zeit“, flüsterte sie.
„Feuerhexe!“, stöhnte er, und sie spürte im Dunkel sein Grinsen. „Wir sollten diese Nacht lieber schlafen und uns für den kommenden Tag rüsten, statt …“ Seine Worte gingen in einem Seufzen unter. Ihr Mund fand seinen, ihre Hände streichelten ihn durch den Stoff.
War es die Dunkelheit, die sie so mutig, geradezu übermütig
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