Die Rose von Byzanz
nachzudenken. Und dann begann es ihm zu dämmern.
„Oluf. Sohn des Ragnar.“
„Bruder des Hallgrim“, fügte Oluf hinzu. Er grinste.
„Ich bin überrascht. Bist auch du unter die Seefahrer gegangen?“
„Nachdem Hallgrim es sich in Kiew gemütlich gemacht hat, habe ich ihm seinen Bootsanteil abgekauft. Du siehst, es hat sich gelohnt. Aus dem kleinen Kahn ist ein ordentliches Drachenboot geworden.“
Eirik nickte. Er zögerte.
„Keine Angst, sie hält jedem Sturm stand und bringt dich schnell wie der Wind nach Kiew und darüber hinaus. Bloß wenn wir noch länger hier stehen, wird der frühe Wintereinbruch auf den Flüssen der Rus uns aufhalten, und wir werden dort überwintern müssen.“
Außerdem wollte er das Gold. In Eiriks Beutel klimperte es verführerisch.
„Gut“, sagte Eirik und reichte Oluf einen Solido. „Den zweiten bekommst du, sobald wir das Ziel unserer Reise erreicht haben.“
„Mein Schiff gehört euch.“ Oluf steckte die Münze ein und machte eine einladende Handbewegung. „Willst du mir das hübsche Weib nicht vorstellen?“
Eirik blickte hinab zum Pier. Die Frau trug einen schwarzen Mantel aus feiner Wolle, die Kapuze hatte sie sich tief ins Gesicht gezogen. Er zögerte. „Sie ist mein Weib“, sagte er schließlich.
„Eh, haste dir so ein Frauchen aus dem Harem eines edlen Fürsten geklaut?“ Er meinte, rotes Haar zu sehen. „Weißt ja, was man von Frauen an Bord sagt. Ich halt nicht viel von solchem Geschwätz, aber meine Leute haben ein einfaches Gemüt und wenig Sinn für Diskussionen, wenn ein Sturm heraufziehen sollte.“
„Würden ein Fass Wein und ein Fässchen Honig ihre Gemüter beruhigen?“
„Da kannst du sicher sein.“ Oluf grinste zufrieden. Er mochte es, mit Männern wie Eirik Geschäfte zu machen.
Dieser nickte. Dann trat er näher. Zu nah. Oluf widerstand dem Impuls, zurückzuweichen. „Und sollte mir noch einmal zu Ohren kommen, dass du an der Ehrhaftigkeit meines Weibs zweifelst“, sagte Eirik ganz ruhig, „werde ich dir die Zunge herausschneiden, sie über Feuer rösten und dir wieder ins Maul stopfen.“ Sein Blick glitzerte hart.
„Ich habe gar nichts behauptet“, versicherte Oluf ihm. Er beobachtete interessiert, wie Eirik Hallgrimsson behände die Planke hinablief und das Bündel mit den Habseligkeiten seines Weibs packte.
Ob er weiß, dass nicht nur Hallgrim in Kiew wohnt, sondern auch Freya?
Aber was kümmerte ihn das. Er stellte keine Fragen, dann hatte Eirik auch von ihm keine Antworten zu erwarten.
Johanna kauerte am Bugspriet und zog den dicken Mantel enger um ihre Schultern. Sie fror erbärmlich und beobachtete die Männer, die auf dem Schiff hin- und herliefen und nach einem unsichtbaren Muster Segel setzten, das Ruder bewegten oder einfach an der hochgezogenen Reling standen und die Gräten des Trockenfischs hinüberspuckten, ehe sie wieder an die Arbeit gingen.
Sie zitterte nicht nur, weil seit drei Tagen ein kalter Wind über das Meer wehte.
Sie war mit einem Dutzend Nordmännern allein an Bord eines Schiffes.
Wenn Eirik nicht wäre …
Aber da war er, stand neben dem Eigner und unterhielt sich leise mit ihm. Johannas Hand krallte sich heftig in ihr Bündel. Kleider, die Eirik ihr in aller Eile auf einem der zahlreichen Märkte von Byzanz gekauft hatte, ebenso wie den Hornlöffel in einem Holzkästchen, mit dem sie ihren Eintopf löffelte, wenn sie nachts an Land gingen und über dem Feuer kochten. Und natürlich ihr Dolch. Den hatte Eirik ihr vor allem gekauft, weil sie ihn darum gebeten hatte.
Nie wieder will ich ungeschützt sein. Nie wieder.
Die Reise würde Wochen dauern. Wochen an Bord dieses Schiffs, Wochen! Sie musste ständig dabei zusehen, wie die Männer über die Reling pissten. Manchmal unterdrückte sie ein Lachen, weil einer den Wind immer falsch einschätzte und seine Pisse ihm ständig gegen das Wams klatschte. Aber das war nicht mehr lustig, seit sie wusste, dass er es war, der Abend für Abend die köstlichen Eintöpfe zubereitete und das Messer, mit dem er Trockenfleisch und Gemüse kleinschnitt, danach sorgfältig am eingenässten Wams abwischte.
Ihr einziger Trost waren die Nächte. Nachts segelten sie nicht, sondern zogen das Schiff ans Ufer, und jeder suchte sich einen Schlafplatz.
Eirik kämpfte sich zu ihr vor. Er hatte, anders als die Männer, die seit Jahren an Bord waren, Probleme das Gleichgewicht zu halten.
„Wir kommen nicht schnell genug voran.“ Er setzte sich neben sie und
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