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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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ihm jemand ätzende Säure in die Speiseröhre geschüttet. Er bekam kaum Luft. Der jäh aufflammende Schmerz in seinem Innern machte ihn sprachlos.
    »Ist noch nicht offiziell, behalt’s vorerst für dich.« Carl versuchte, das unangenehme Gefühl aus Mitleid und schlechtem Gewissen, das in ihm aufstieg, zu ignorieren. Er wollte sich sein Glück nicht trüben lassen. »Wir haben uns in Sikkim ineinander verliebt.«
    Gustav hätte Carl packen und würgen können. Als ob er das nicht längst wüsste! Und als ob es ihm nicht ganz genauso ergangen wäre – in Sikkim verliebt! Nur dass sie sich für diesen Gärtner entschieden hatte.
    Gustav brachte lediglich ein schlappes »Ach!« heraus, weil er befürchtete, sonst Gift und Galle spucken zu müssen. Mit größter Mühe riss er sich zusammen und setzte hinzu: »Herzlichen Glückwunsch!« Er hoffte, es klänge ein wenig munter.
    Wieder stieg Hass in ihm auf. Hätte er ihm doch am Abgrund einfach auf die Hände getreten!
    Carl kannte seinen Freund gut genug, um dessen Verzweiflung zu spüren. Mit einem inständig bittenden, offenen Blick sagte er leise: »Ich wünsche mir sehr, dass es nicht zwischen uns steht …«
    Damit war Gustavs Edelmut überstrapaziert. »Tja, man kann im Leben nicht alles haben«, antwortete er bitter, fast triumphierend. In einem Ton, der das Gespräch für beendet erklärte, fügte er noch hinzu: »Der Fahrer sitzt bei Yaya in der Küche.«
    »Ja, dann bis morgen«, erwiderte Carl enttäuscht. Bis dahin, so hoffte er, würde sich sein Freund wieder gefangen haben.
    Carl gab in Darjeeling bereits einen großen Teil aus seiner kostbaren Rhododendronausbeute für die Schiffspassage auf. Außerdem wollte er ein Telegramm an seinen Vater nach Deutschland schicken. Das erledigte er als Erstes, nachdem er die Stadt am späten Nachmittag erreicht hatte.
    Brauche ein Vermögen, er nannte die Summe, aber keine Einzelheiten, denn ihm war klar, dass sich der Inhalt des Telegramms leicht herumsprechen könnte. Chancen? Eilt. Carl
    Als Absender gab er das Windamere Hotel an, wo er diese Nacht logierte. Eine kostbare Nacht, die er sonst noch mit Kathryn hätte verbringen können. Doch er wollte die Antwort auf das Telegramm sofort erfahren.
    Kathryn und Tinley holten Aashmi, die sich tränenreich, aber glücklich von ihrer Familie verabschiedet hatte, am Nachmittag ab. Sie fuhren zunächst in das Ledigenheim, wo Kathryn dem Mädchen half, seine wenigen Habseligkeiten in dem neuen Zimmer zu verstauen. Dann gingen sie gleich in die Schneiderei. Kathryn wunderte sich kaum noch darüber, dass es ihr vorkam, als brächte sie eine jüngere Schwester auf den Weg.
    »Ich wünsche dir viel Glück, Aashmi. Ihnen noch einmal vielen Dank, Mr Singh. Ich bin sicher, Sie werden es nicht bereuen.«
    Aashmi stand in Mr Singhs Schneiderladen wie eine Wasserlilie in der Wüste. Sie fühlte sich, als sei sie völlig fehl am Platze, aber sie war fest entschlossen, das Handwerk zu erlernen. Ihr Arbeitgeber in seinem maßgefertigten Anzug flößte ihr großen Respekt ein, doch seine samtenen Augen und die abstehenden runden kleinen Ohren nahmen Aashmi sofort für ihn ein.
    Ihr Vater befand sich bereits wieder auf dem Heimweg, als Kathryn Dr. Apple aufsuchte. »Ich unterliege der Schweigepflicht«, sagte der Arzt mit unglücklichem Gesicht. »Dein Vater hat mir untersagt, irgendjemandem Auskunft über seinen Gesundheitszustand zu erteilen. Auch dir nicht.«
    Kathryn spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihre Beine zitterten. »Dann kann es wohl nichts Gutes sein«, folgerte sie. »Wenn man es mir verheimlichen muss …«
    Der Mediziner schwieg, sein mitfühlender Blick sprach Bände.
    Kathryn atmete schwer. »Was kann ich tun, um ihm zu helfen?«
    »Er verträgt keinen Alkohol, keinen Tabak und keine Aufregung. Aufregung ist das Schlimmste.«
    Kathryn traf sich mit Tinley am Bahnhof, niedergeschlagen fuhr sie mit ihm nach Hause. Es war schon dunkel, als sie in Geestra Valley ankamen. Im Zimmer ihres Vaters brannte Licht. Kathryn klopfte.
    »Komm rein!«
    Seine tiefe Stimme klang müde, zermürbt. Auf dem Tischchen vor seinem Kamin lagen alte Fotos aus der Glanzzeit Geestra Valleys. Und Hochzeitsfotos ihrer Eltern. Daneben stand eine Flasche Gin.
    Ihr Vater hatte gerötete Augen. Kathryn stellte sich vor das wärmende Feuer, rieb ihre Oberarme. Sie suchte nach aufmunternden Worten. Aber alles, was ihr in den Sinn kam, erschien ihr unpassend. Sollte sie ihn mahnen, nicht zu

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