Die Rose von Darjeeling - Roman
…«
»… steigt er nicht in das Geschäft ein.«
Kathryn war verwirrt. Weshalb hatte der Lord sie dann ausdrücklich gebeten, »Ihren Herrn Vater« wegen des Heiratsantrags zu konsultieren?
Aldous Whitewater haute mit der Faust auf den Tisch. »So ist es, und ich habe Nein gesagt.«
»Wieso hast du Nein gesagt? Darf ich das nicht selbst entscheiden?«
»Gott, bist du dickköpfig. Du willst doch nicht im Ernst erwägen, diesen alten Knaben zu ehelichen, wo du seit Wochen verliebt in deinen Carl bist …«
»Du weißt …?«
»Kind, ich bin alt und krank und mittellos, aber nicht dumm.«
»O je.«
»Du kennst doch das indische Sprichwort …«
»Welches?«
Er lächelte grimmig. »Das, was Yaya so gern zitiert …«
Sie imitierte Yayas Tonfall. »Ist kein Tiger in den Bergen, will der Affe König werden.«
»Nein! ›Es ist besser, sich in einen Brunnen zu werfen, als einen alten Mann zu heiraten.‹«
Kathryn grinste schräg. Der Alkohol wirkte um diese ungewöhnliche Tageszeit besonders schnell. Unvermittelt brach sie in Tränen aus. »O Papa, das ist ja alles ganz fürchterlich!« Sie legte den Kopf auf die Tischplatte. »Ganz und gar unaussprechlich fürchterlich …«, schluchzte sie.
Immer hatte sie angenommen, ihr Vater wollte sie möglichst »gewinnbringend« verheiraten, wie es seit Jahrhunderten in guten britischen Familien Sitte und Brauch war, und nun verhielt es sich genau andersherum! Schön eigentlich. Verrückt. Doch ihr Vater ohne Geestra Valley – undenkbar! Das würde ihn umbringen. Und all die Menschen im Dorf, die seit Generationen hier ihre Heimat und ihr Auskommen hatten!
Aber andererseits …
»Ich kann wirklich nicht so einen alten Mann heiraten«, ihre Zunge war schon schwer, »wo ich endlich die Liebe meines Lebens gefunden hab! Das kann doch nun wirklich kein Mensch von mir verlangen!«
»Das verlangt ja auch kein Mensch von dir!«, erwiderte ihr Vater. »Ich verbiete es dir sogar ausdrücklich. Du sollst glücklich werden.«
Als Kathryn am Nachmittag in ihrem Zimmer mit einem Brummschädel erwachte, hoffte sie, dass alles nur ein böser Traum gewesen sei. Doch es war kein Traum, sondern bittere Realität. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg. Sie zermarterte sich das Hirn. Ihr Vater erschien nicht zum Dinner. Er hatte sich eingeschlossen und weitergetrunken. Kathryn wusste, dass sie nichts herunterbekommen würde. Sie ging nach draußen, um einen klaren Kopf zu bekommen und setzte sich auf die kleine Bank, auf der sie am Morgen bei Sonnenaufgang noch der glücklichste Mensch der Welt gewesen war.
Carl fand sie blass und verweint vor. Er erschrak. »Hat er dir etwa verboten, mich zu heiraten?«, fragte er kampflustig. »Dann entführ ich dich eben!«
»Im Gegenteil. Er hat mir verboten, Lord Taintsworth zu heiraten!«
»Und das macht dich unglücklich?« Belustigt setzte er sich neben sie.
Sie berichtete ihm, was sich ereignet hatte.
Carl nahm sie in den Arm. »Wir werden einen Ausweg finden. Wie viel Geld braucht ihr denn?«
Kathryn nannte eine Summe, die deutlich höher war als das, was Carl über seine Familie rasch hätte organisieren können. Sein Vater hatte kürzlich sogar einen großen Stapel gut gelagerter Eichenstämme, ein begehrtes Baumaterial im Ammerland, verkaufen müssen, um ausreichend Bargeld für die Rhododendronexpedition aufbringen zu können. Eigentlich hatte das Holz zur Aussteuer seiner kleinen Schwester gehört. Carl überschlug rasch andere Möglichkeiten. Vielleicht konnten sie ein Stück Land oder ein Haus verkaufen? Ihnen gehörten abgesehen vom eigenen Wohnhaus und der Gärtnerei samt einiger Nebengebäude zwei Geschäftshäuser. Doch er erinnerte sich noch zu gut an seinen letzten Spaziergang durch seinen Heimatort. Selbst der Gang durch die Hauptstraße hatte etwas schaurig Erschütterndes gehabt: Ein blindes Schaufenster reihte sich an das andere. Wegen der steigenden Arbeitslosigkeit sanken die Grundstücks- und Häuserpreise seit Monaten. Die Leute mussten verkaufen, und die Preise wurden weiter gedrückt. Aber seine Familie besaß einen ausgezeichneten Leumund. Sie waren seit vierhundert Jahren ansässig, sie verfügten über beste Kontakte.
»Ich werde versuchen, in Deutschland Geld aufzutreiben«, versprach Carl. »Meine Familie kennt Gott und die Welt.« Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen.
Kathryn nickte. »Ich bitte dich, nicht jetzt bei Vater um meine Hand anzuhalten. Wir müssen ihn vor jeder
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