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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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sich einen Moment vor sich selbst. Aber diese Entwicklung hatte sie doch nicht gewollt!
    »Carl, ich schicke dir ganz viel Liebe und Kraft. Tu das, was du für richtig hältst.«
    »Kathryn …« Sie fehlte ihm Tag und Nacht. Aber er war einfach kein Mann der großen Worte. »Wie geht es dir? Was machst du?«
    »Ich war auf dem kanadischen Konsulat und habe mich nach den Einwanderungsbedingungen erkundigt …«
    »Weiß Alfred inzwischen Bescheid?«
    »Nein. Ich möchte doch, dass Annabella ihre Saison so lange wie möglich unbeschwert genießen kann … Deshalb will ich es auch Alfred erst sagen, wenn geklärt ist, wo wir beide gemeinsam hingehen.«
    »Ja … Kathryn, ich liebe dich.«
    »Ich weiß. Ich liebe dich auch … mehr als mein Leben.«
    Sie schwiegen, lauschten mit geschlossenen Augen dem Atmen des anderen. Kathryn holte tief Luft.
    »Carl, ich glaube, du musst dich jetzt erst mal um deine Frau kümmern.«
    »Ja. Ich ruf dich wieder an.«
    Carl dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, doch es kam schlimmer. Gesine hatte sich eine Infektion zugezogen, sie und das Kind kämpften ums Überleben.
    Carl wachte nun schon die dritte Nacht neben ihr. Er machte Gesine kalte Umschläge. Sie schwitzte, stöhnte. Er litt mit ihr, jeden Krampf, jeden Seufzer fühlte er wie am eigenen Leib, er hoffte für ihr gemeinsames Kind. Es zerriss ihm das Herz vor Sehnsucht, wenn er an Kathryn dachte. Und er fühlte sich unendlich schuldig. Sie murmelte wirr. Carl hörte er, immer wieder Carl …
    »Wenn ich nur etwas tun könnte, um dir zu helfen, Gesine …« Ihr Puls wurde immer schwächer.
    Zwei Ärzte kamen und sprachen leise miteinander. Sie schickten ihn auf den Flur. In tiefer Verzweiflung begann er zu beten. Carl machte Gott ein Angebot: Lass Gesine und das Kind durchkommen, dann geh ich nicht weg.
    Er hatte doch ein gutes Leben gehabt. Weshalb war er damit nicht zufrieden gewesen? Warum wollte er auch noch das Paradies auf Erden? Carl zermarterte sich mit Selbstvorwürfen.
    »Sie ist über den Berg«, sagte eine Krankenschwester im Morgengrauen. »Jetzt gehen Sie mal nach Hause, und ruhen Sie sich aus, Herr Jonas.«
    Bei Carls nächstem Besuch im Krankenhaus hatte sich Gesine körperlich stabilisiert. Sie durfte höchstens einmal aufstehen, um zur Toilette zu gehen. Ansonsten musste sie strikte Bettruhe bewahren. Die Ärzte sagten, es könne sein, dass das Kind eine Behinderung davongetragen habe.
    Carl hatte die Kinder mitgenommen. Um ihretwillen verzichtete Gesine, wie er gehofft hatte, auf feindselige Äußerungen. Carl und Gesine kamen überein, dass sie »die Sache« bis zu ihrer Rückkehr nach Hause ausklammern wollten. Der Geburtstermin war für Mitte Oktober berechnet worden.
    Carl und Kathryn schrieben sich postlagernd. Sie versicherten sich ihrer Liebe, und sie erzählten sich von ihrem Alltag. Annabella hatte ihren ersten großen Liebeskummer, und Kathryn war als Mutter gefordert.
    Carl sorgte sich um seinen Vater. Er hatte bei seinem letzten Spaziergang durch den Kiefernwald ungewohnt gefühlsbetont gesagt: »Ich kann beruhigt sterben, weil ich weiß, dass du den Familienbetrieb weiterführst.«
    Tagsüber kümmerten sich Carls Mutter und die Haushälterin um die Kinder, doch die Beziehung zu ihrem Vater wurde in diesen Wochen immer enger. Kathrin, Gerdchen und Hansi machten sich natürlich Sorgen um ihre Mutter, die sie nur energisch und tatkräftig kannten. Kathrin versuchte auf rührende Art, Pflichten ihrer Mutter zu übernehmen. Sie aßen Haferflockenbrei zum Frühstück, das konnte sie am besten, das Mittag- und Abendessen bereitete zum Glück die Haushälterin zu. Die sechzehnjährige Älteste machte mit ihren Brüdern Hausaufgaben und nahm sie, was einem großen Opfer nahe kam, sogar gelegentlich zu Verabredungen mit ihren Freundinnen mit. Kathrin erzählte Carl von ihren Freundinnen, was sie früher nie getan hatte. Gerdchen malte sich aus, wie er dereinst die Baumschule führen wollte, und Hansi erzählte Kinderwitze, um alle bei Laune zu halten.
    Abends kamen die Jungs nun oft zu ihrem Vater ins Bett, um Trost bei ihm zu suchen. Ihnen fehlten die Zärtlichkeiten ihrer Mutter, und sie wussten schon viel zu viel vom Sterben und vom Tod. Man konnte ihnen nicht viel vormachen.
    »Ich hab jeden Abend gebetet, dass du wiederkommst«, vertraute Gerdchen eines Nachts seinem Vater an und kuschelte sich an ihn, »im Krieg und danach. Andere Kinder haben gesagt, du kommst nicht mehr. Beim Russen

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