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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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etwas Gemeines auszudenken! Wie hatte er sich in Gustav getäuscht!
    Gesine konnte nicht schlafen. Noch relativ ruhig hatte sie sich ihr langes Nachthemd übergestreift und hingelegt. Sie wälzte sich hin und her, begann zu weinen. Und dann schluchzte sie hemmungslos. Sie schrie in ihr Kopfkissen, sie boxte auf die Matratze ein, war außer sich. Das pure Entsetzen über die Taten und Worte ihres Mannes erreichte ihr Inneres, ihre Eingeweide, Übelkeit überkam sie. Gesine stand auf, schloss die Schlafzimmertür wieder auf, wankte über den dunklen Flur zur Toilette und übergab sich. Zum Kotzen, dachte sie, es ist zum Kotzen!
    Mehrfach legte sie in den nächsten zwei Stunden den Weg zwischen Bett und Toilette zurück, bis nichts mehr in ihrem Magen war, was sie ausspucken konnte. Gesine kannte sich selbst nicht mehr. Sie, die in sich ruhende, immer anpackende Bauerntochter, ging durch die Hölle. Mal flehte sie innerlich: Carl, komm und sag, dass es nicht stimmt! Mal wünschte sie ihm Tod und Teufel an den Hals. Sie schleppte sich wieder ins Bad, trank einen Schluck Wasser. Viel zu schnell atmete sie zwischen den Schluchzern, unter denen ihr gesamter Körper zuckte. Du musst dich wieder hinlegen, sagte Gesine sich, denk an das Kind.
    Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer, oben an der Treppe, wo noch das Absperrgitter aus Hansis Lauflernzeit den Aufgang sicherte, passierte es. Sie spürte einen Schmerz im Unterleib, und ein Schwall warmer Flüssigkeit ergoss sich über ihre Beine auf den Boden. Entsetzt schrie sie auf. Sie tastete nach dem Lichtschalter. Die Flüssigkeit war klar, gelblich, mit etwas Blut. Wasser aus der Fruchtblase.
    »Hilfe!«, rief sie und schleppte sich zum Bett.
    Carl war schon bei ihrem ersten Schrei aufgeschreckt. Er rannte in ihr Schlafzimmer, und als er Gesine im Bett liegen sah, erkannte er, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.
    Die Kinder kamen aus ihren Zimmern. »Bleibt draußen, lauft zu Oma!«
    Carl rannte zum Telefon und alarmierte den Hausarzt und die Hebamme. Es war doch noch viel zu früh, Gesine war erst im fünften Monat. Konnte das Kind gerettet werden?
    »Sie hat einen vorzeitigen Blasensprung«, sagte der Hausarzt. »Passiert selten. Hätte ich nicht mit gerechnet bei Gesine. Sie muss liegen. Am besten im Krankenhaus.«
    Die Hebamme fragte: »Gab es schlechte Nachrichten? Das passiert manchmal bei einem Schock.«
    »O Gott!« Carl war fertig mit den Nerven. Und froh, dass seine Mutter sich um die verängstigt weinenden Kinder kümmerte.
    Die Chance, dass sie das Kind halten konnte, war nach Auskunft der Ärzte gering. Carl besuchte Gesine im Krankenhaus.
    »Was willst du denn hier?«, fragte sie bitter. »Wieso bist du nicht bei deiner Engländerin?«
    Carl wusste nicht, was er erwidern sollte. »Gesine, jetzt ist wichtig, dass du wieder gesund wirst. Und dass das Kind …« Er verstummte. Tränen rollten über seine unrasierten Wangen. Es gab nichts, was er tun konnte. Er fühlte sich so schuldig, hilflos, verzweifelt. Und er war unglaublich wütend! Dieser Wahnsinnsidiot Gustav! Wenn der nicht alles im unpassendsten Moment hinausposaunt hätte, würde Gesine nicht hier liegen.
    Gesine wandte sich ab. »Es regt mich nur auf, wenn ich dich sehe«, sagte sie schließlich erschöpft in Richtung Wand.
    »Kannst du die … die Sache nicht einfach vergessen, bis es dir wieder besser geht?«
    »Die … ›Sache‹… ist der Grund, weshalb es uns schlecht geht.«
    Eine Schwester betrat das Zimmer und machte Carl ein Zeichen, dass die Besuchszeit vorbei sei. Carl verließ ohne ein weiteres Wort das Krankenhaus.
    Zu Hause schloss Carl sich in seinem Arbeitszimmer ein. Er nahm den schweren schwarzen Telefonhörer in die Hand, steckte seinen Finger in die Wahlscheibe und ließ sich mit London verbinden.
    »Kathryn, kannst du reden?«
    Ihr erster Freudenimpuls wurde gleich getrübt. An seiner Stimme erkannte sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Kathryn schickte das Hausmädchen aus dem Salon.
    »Ich möchte ungestört sein.«
    Carl erzählte ihr, was geschehen war. Eine Zentnerlast legte sich auf Kathryns Herz. Ihr war, als hätte sie es geahnt, ohne es wahrhaben zu wollen. Irgendetwas würde ihre Zukunftspläne torpedieren. Alles andere wäre zu wunderbar gewesen.
    »Es tut mir so leid … es muss furchtbar für dich sein …« stammelte sie. »Die arme Gesine …«
    Und sie, Kathryn, war die böse Frau, die einer kranken Schwangeren den Mann wegnehmen wollte. Kathryn schämte

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