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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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daheim!«

Ammerland
    Oktober 1951
    Im Oktober 1951 brachte Gesine ein gesundes Mädchen zur Welt. Den Namen suchte sie aus: Constanze, die Standhafte.
    Carl, der selbstverständlich angenommen hatte, dass Gesine um ihn zitterte, staunte nicht schlecht. Da stellte sich seine Frau noch am Tag ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus im Schlafzimmer ihres Hauses vor ihn und verkündete: »Ich habe nachgedacht … Lass mich ausreden! Wenn ich mit den Kindern zu meinen Eltern ginge, das wäre keine Lösung. Das Leben geht weiter.«
    Carl warf einen Blick auf das winzige schlummernde Wesen in der Wiege und empfand demütige Dankbarkeit. Constanze war gesund! Gesine war wieder gesund. Sie hatten sich an ihre Vereinbarung gehalten und das heikle Thema monatelang ausgeklammert.
    »Ich bin bereit, dir zu verzeihen«, sagte Gesine. »Unter einer Bedingung.«
    Carl wunderte sich dann doch. Wieso kam Gesine so gar nicht in den Sinn, dass er sie verlassen wollte?
    »Ich verzeihe dir, wenn … du die Rose von Darjeeling vernichtest.«
    »Bist du des …«
    Gesine fiel ihm ins Wort. »Wir nehmen die Rose beziehungsweise die …«, sie sprach den Namen absichtlich affektiert aus, »… Queen of Darjeeling aus unserem Sortiment. Dieser Rhodo wird ausgerottet und verbrannt. Wir machen auch keine Werbung mit der Goldmedaille, du streichst sie aus allen Unterlagen.«
    Entrüstet schnappte Carl nach Luft.
    »Du nimmst nie wieder Kontakt mit dieser Dame auf, und«, sie holte tief Luft, »wir sprechen nie wieder darüber.«
    »Gesine, du weißt nicht, was du da verlangst!« Carl sprang auf. »Ich habe mein Leben für diese Züchtung riskiert!«
    Jetzt verlor Gesine die Beherrschung. »Ich wäre gerade fast gestorben! Ich riskiere mein Leben jedes Mal, wenn ich ein Kind von dir zur Welt bringe!« Sie griff sich mit beiden Händen an den noch leicht gewölbten Bauch.
    Betroffen schwieg Carl. Jeden Tag dachte er an sein Gelübde. Gott hatte Gesine und das Kind gesunden lassen, jetzt musste er sich an sein Versprechen halten. Er musste bleiben und auf Kathryn verzichten. Aber auch noch auf die Rose von Darjeeling?
    Er protestierte. »Nach all den Jahren, dem Aufwand, den Mühen … dieser Rhodo könnte ein Verkaufsschlager werden …«
    »Du hast noch andere Hybriden gezüchtet. Konzentrier dich auf sie.«
    Gesine blieb bei ihrer harten Haltung. Zu Carls eigener Überraschung faszinierte sie ihn damit auch. Hätte sie ihn angefleht, bei ihr zu bleiben – er hätte sie vermutlich verachtet. Ihre klare Ansage imponierte ihm.
    Carl fuhr nach Oldenburg zur Hauptpost, um ungestört mit Kathryn zu telefonieren.
    »Das Kind ist geboren. Ein gesundes Mädchen. Es soll Constanze heißen.«
    Kathryn hörte keine Freude, nur Trauer aus Carls Stimme. Sie kannte ihn so gut, manchmal besser als er sich selbst.
    »Herzliche Glückwünsche.« Kathryns Stimme klang dünn.
    Sie wussten beide, dieses war ein Abschied. Kathryn war auf diesen Augenblick vorbereitet. Vor Monaten schon hatte es sich angedeutet, seit ein paar Wochen war ihnen beiden klar, dass sie sich ihren Verpflichtungen und Gefühlen anderen Menschen gegenüber nicht entziehen konnten. Auch Kathryn hatte viel nachgedacht.
    Es musste doch möglich sein, aus Erfahrungen zu lernen! Sie hoffte, dass sie beide mit ihrer zweiten Trennung besser zurechtkämen als mit der ersten.
    »Carl … versprich mir, dass du mir nicht nachtrauerst.«
    Er stöhnte auf. »Leicht gesagt.«
    »Ich meine, du sollst nichts Schönes versäumen, weil ich nicht da bin. Weil wir es nicht gemeinsam erleben. Ich weiß, dass ich mit unserer Trennung viel besser fertigwerde, wenn es dir gut geht.«
    Inständig bat Kathryn ihn, das zu beherzigen, was sie in den vergangenen Jahren für sich herausgefunden hatte. Sie wusste, wie man sich isolieren konnte aus Schmerz, Wehmut, Sehnsucht. Wie leicht man von der Melancholie in Selbstmitleid abtrieb und unnütz Lebensenergie in diesem Zustand versickern ließ. Die Erlebnisse vom September 1940 bis Mai 1941 und ganz besonders jene ersten Wochen der Luftangriffe, als London siebenundfünfzig Nächte hintereinander jede Nacht bombardiert worden war, hatten ihr die Augen geöffnet.
    Vor dem Krieg hatte sie auf sehr hohem Niveau gelitten, sich zuweilen gesuhlt in wehmütigen Erinnerungen. Aber was wirklich zählte, war das Leben im Hier und Jetzt!
    »Bitte, liebe deine Frau, ich weiß, du liebst mich deshalb kein bisschen weniger. Bestrafe niemanden dafür, dass wir uns nicht haben konnten.

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