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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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schießen.
    »Jetzt!«, befahl Carl.
    In aufgekratzter Stimmung statteten sie der Gärtnerei einen Besuch ab. Dort wurden unter Planen und in Gewächshäusern Teepflanzen vorgezogen. Am Ende des Areals stand, versteckt hinter Mangobäumen, ein von Glyzinien bewachsener achteckiger Glaspavillon im viktorianischen Stil.
    »Was gibt es dort zu sehen?«, fragte Gustav.
    »Darin hat die selige Mrs Whitewater früher Orchideen gezüchtet«, antwortete Mr Brooks leise.
    Kathryn sagte: »Einmal in der Woche gebe ich da jetzt ein kleines Konzert für die Kinder.«
    Eines Tages war sie auf die Idee gekommen, den Pavillon nutzen zu können, um in Ruhe auf ihrem Instrument, einer keltischen Harfe, zu üben. Irgendwann hatte sie dann die kleinen Zuhörer entdeckt, die ihr heimlich lauschten. Sie hatte die Kinder eingeladen hereinzukommen. Mittlerweile war es eine feste Einrichtung im Teegarten geworden. Einige Kinder kamen immer, andere nur gelegentlich, große Geschwister brachten ihre kleinen mit. Kathryns Vater tat, als wüsste er nichts davon. Denn das Fraternisieren mit den Einheimischen galt unter den Pflanzern als unschicklich. Kathryn hatte den Eindruck, dass auch viele Eltern nichts von ihrem wöchentlichen Rendezvous mit ihren Sprösslingen wussten oder sich absichtlich unwissend stellten, weil sie fürchteten, religiöse Regeln zu brechen oder die Hausgötter zu verärgern. Sie blickte noch immer nicht durch den Irrgarten der Religionen in Indien, zu viele Götter existierten in diesem riesigen Land nebeneinander. Dafür sorgten Hindus, Buddhisten, Muslime, Christen und unzählige Untergruppen. Viele Nepalesen in ihrem Teegarten verehrten auch Shiva und Buddha zugleich.
    »Übrigens, morgen Nachmittag um vier wäre es wieder so weit!« Kathryn lächelte. »Falls ihr Lust habt, schaut vorbei. Jetzt muss ich noch einige Dinge erledigen. Wir sehen uns dann zum Afternoon Tea.«
    Die Freunde warfen sich einen Blick zu. Ach herrje, sie wollten die Welt erobern und sollten nun einem Glashauskinderkonzert lauschen! Aber sie waren höfliche Gäste und würden selbstverständlich der Einladung folgen.
    Für Gustav stand nun aber erst noch eine fachkundige Verkostung auf dem Programm. Carl wollte die Zeit nutzen, um den Gärtnern des Teegartens über die Schultern zu sehen und sie um Unterstützung bitten. Er wollte schließlich eine ganze Reihe von Stecklingen und Edelreisern mit nach Deutschland nehmen, einige würde er in den nächsten Tagen in Darjeeling von wilden Rhododendren nehmen. Und wenn sie erst von der Expedition durch Sikkim zurückkehrten, musste seine von dort mitgebrachte Ausbeute schnell fachgerecht in die Erde gebracht oder auf andere kleine Rhododendren gepfropft werden, die bereits Wurzelballen besaßen. Nur so konnte Carl hoffen, sie für den Transport nach Europa lebensfähig zu erhalten.
    »Was gäbe ich jetzt für einen vernünftigen Ostfriesentee mit Kluntjes und Sahnewulkje!«, flüsterte Carl seinem Freund zu.
    Gustav grinste. »Kulturbanause! Du kriegst hier den Champagner unter den Tees kredenzt und weißt es nicht zu schätzen. Komm mit zur Verkostung, da kannst du deinen Horizont erweitern.«
    »Nee danke, dieses Schlürfen und Gurgeln ist nichts für mich. Lass mich mal lieber ein bisschen in der Erde wühlen.«
    Auf dem gestampften Boden im Glaspavillon lagen geflochtene Schilfteppiche. Nepalesische, aber auch ein paar tibetische und indische Kinder saßen darauf. Sie kabbelten sich kichernd, bis Kathryn eintrat und einen Hocker auf dem erhöhten Teakholzpodest ansteuerte. Sie trug einen indischen Pajama, die traditionelle Kleidung am Hofe südindischer Moguln, der gerade von der internationalen Mode als Strandanzug mondäner Damen wiederentdeckt wurde – eine lange, weite Hose, dazu eine Musselinbluse mit Weste. Kathryn konnte ihr Instrument ebenso bequem wie schicklich zwischen die Beine stellen.
    Carl und Gustav saßen an den Seiten auf Teekisten. Mit erwartungsvoll geweiteten Augen beobachteten die Kinder jede Regung Kathryns. Die Memsahib konnte diesem seltsamen Instrument ganz und gar exotische, himmlische Klänge entlocken. Und zwischen den Musikstücken erzählte sie stets ein englisches oder deutsches Märchen – immer auf Englisch.
    Kathryn hoffte, dass ihre kleinen Zuhörer dadurch nebenbei ein bisschen besser die Sprache erlernten. Meist erklärte sie vorher einem älteren, aufgeweckten Kind die Geschichte auf Nepali – soweit ihre Sprachkenntnis ausreichte. Was zur Folge hatte,

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