Die Rose von Darjeeling - Roman
durch die Teefelder, die sich wie ein großer, buschiger Paradiesgarten über die Hügel erstreckten. Die Sonnenstrahlen zauberten Reflexe auf die vom Morgentau feuchten Blätter, sie funkelten, als hätte jemand Diamantsplitter über sie ausgestreut.
Auf einem schmalen Bergpfad ritten sie ein Stück hintereinander unter Bäumen zum höchsten Punkt von Geestra Valley. Es roch nach frischem Grün und würzigen Wildkräutern. Carl identifizierte zwischen vielen fremden Gewächsen am Wegesrand Nelke und Kampfer, Rübsamen, schwarzen Pfeffer und Ackerminze. In der kühlen, klaren Luft lag etwas knackig Prickelndes.
Mr Brooks trug eine Khakijacke mit Ledergürtel und einen breitkrempigen Hut, der an einer Seite hochgeschlagen war. Er war Halbinder, sein Vater stammte aus England. Wie alle »Mischlinge« gab er sich britischer als Königin Victoria es je gewesen war. Der Endzwanziger blickte herab auf alle, in deren Adern kein englisches Blut floss, und wahrte Distanz zu ihnen. Dabei war er noch nie in seinem Leben in Großbritannien gewesen. Der Verwalterposten bot ihm eine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg, er verfügte auch wohl über einiges Talent und Disziplin.
»Sind Sie Brüder?«, erkundigte er sich freundlich.
»Nein«, erwiderte Carl, »nur Freunde.«
Gustav grinste. »Schlimmer, wir sind Blutsbrüder.«
Mr Brooks lächelte. Er erzählte ihnen, dass er sie begleite, weil Aldous Whitewater in der Manufaktur unabkömmlich sei. Sein Arbeitgeber müsse das perfekte Timing bei der Teeverarbeitung überwachen.
Kathryn registierte, dass die beiden Deutschen auf dem Pferd eine gute Figur machten. Man sah ihren trainierten Körpern an, dass sie sich intensiv auf die Sikkim-Tour vorbereitet hatten. Und von wegen: Wir kommen vom Land! Kathryn lächelte still in sich hinein. Sie liebte Understatement. Carl saß im Sattel wie ein junger Gott. Aufrecht, elegant, die breiten Schultern nicht übertrieben, sondern ganz natürlich aufgerichtet. Gustav schien mehr den Galopp zu lieben, er legte immer wieder kleine Sprints in Seitenwege ein, inspizierte hier die Pflanzenqualität, dort die Pflücktechnik. Und kehrte hochzufrieden mit blitzenden Augen zurück.
Jetzt ritt er brav im Schritttempo neben Kathryn hinter Carl und Mr Brooks her und erzählte ihr, dass sein Freund in Deutschland seit Jahren Dressurwettbewerbe auf Landesebene gewinne.
»Liegt natürlich nur an seinem Pferd!«, scherzte er extra laut, damit Carl es hören konnte. »Ein prächtiger Oldenburger! Ist auch ein sehr begehrter Deckhengst.«
Kathryn klopfte ihrer Stute Joshi den Hals. Sie spürte, dass Hitze durch ihren Körper flutete. Wie peinlich! Hoffentlich dachte Gustav jetzt nicht, sie sei noch ein kleines Mädchen, das Blümchen für sein Herbarium presste und sonst von nichts eine Ahnung hatte. Dabei kannte sie Berlin, sie wusste aus vielen Erzählungen, wie das Nachtleben war – ein wenig auch aus eigener Erfahrung!
»Wer zuerst an der Wiegestation ist!«, rief sie und preschte vor.
Im Galopp flogen sie durch eine Kastanienallee zur Manufaktur. Gustav wurde Erster, Carl zügelte sein Pferd, um gleichauf mit Kathryn anzukommen, und der arme Mr Brooks bildete keuchend das Schlusslicht.
Wie versprochen führte Kathryn ihre Gäste durch die Hallen, zeigte ihnen die Gärkammern und Anlagen, die einen sehr sauberen, gepflegten Eindruck machten, auch wenn manche Maschine schon etwas altersschwach erschien. Da die beiden Freunde in Assam bereits einige Manufakturen besichtigt hatten, konnten sie Vergleiche ziehen. Mr Brooks gab fachliche Erläuterungen.
Aus Spaß halfen sie Arbeitern beim Zusammenzimmern der Teekisten. Sie malten mit Hilfe von Großbuchstabenschablonen » GEESTRA VALLEY « auf die Seitenteile und verstärkten die Ecken mit Blech. Stolz betrachteten sie ihr Werk.
»Wo eure Kisten wohl landen werden?«, überlegte Kathryn. »Vielleicht als Möbelstück bei einem armen Studenten in Paris …«
Gustav hob ihre Gastgeberin spontan hoch und stellte sie auf eine Teekiste. Sie lachte überrascht, grüßte dann gespielt huldvoll von ihrem Sockel.
»Bleib so!« Carl machte ein Foto. »Ach, Mr Brooks, würden Sie bitte mal ein Bild von uns dreien machen?«, bat er dann und drückte dem Verwalter die Kamera in die Hand.
Gustav und er stellten sich in Pose und himmelten Kathryn übertrieben an. Die drei alberten herum und lachten.
»Wann denn?«, fragte Mr Brooks verunsichert, er wollte auf keinen Fall ein verwackeltes Foto
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