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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Fremdenführers, »ist Darjeeling. Man nennt die Stadt auch Queen of the Hills!«
    Wie ein Zirkusdirektor präsentierte Gustav Kathryn. »Und das, meine Damen und Herren, ist ein Zauberwesen …«
    »Jawoll, ein gar königliches Geschöpf!«, fiel Carl übermütig ein.
    Er gab Kathryn einen Schmatz auf die Wange, Gustav küsste sie auf die andere. Sie hakten sich bei ihr unter und gingen zu dritt die Promenade entlang, als wollten sie eine Revuetreppe hinabschreiten. Dann blieb Gustav stehen und nestelte etwas aus seiner Brusttasche hervor.
    »Wir krönen dich zur Queen of Darjeeling!« Verschmitzt reichte er Kathryn ein kleines Geschenk. Carl zog ein ähnliches Päckchen aus seiner Jackentasche.
    Neugierig wickelte Kathryn beide aus. »Nein! Das glaub ich nicht!« Sie schlug eine Hand vor den Mund. »Ihr seid zwei verrückte Kerle! Die Ohrringe – jetzt hab ich sie beide! Ihr habt sie mir gekauft! Ach, Kinder, das ist einfach famos!« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte ihr unwiderstehliches Lachen. Vorsichtig nahm sie je ein Schmuckstück aus der Verpackung. Den Türkis mit den kleinen Korallen von Carl steckte sie ins linke Ohr, den großen Korallenschmuck von Gustav in das rechte. Augenzwinkernd sagte sie: »Und ich ernenne euch hiermit zu meinen königlichen Adjutanten von Darjeeling!«
    Auf der Rückfahrt bat Kathryn ihren Chauffeur Tinley, kurz vor der Schneiderwerkstatt anzuhalten.
    »Nur einen Moment!«, bat sie. »Es geht ganz schnell.«
    Sie sprang aus dem Wagen und riss die Ladentür auf. Mr Singh drapierte gerade einen Stoff über eine Schneiderpuppe und sah sie erstaunt an.
    »Ich hab’s mir überlegt, Mr Singh«, sagte Kathryn mit fester Stimme, »machen Sie doch den tiefen Rückenausschnitt.«
    Aashmi war verzweifelt. Wie sie es auch drehte und wendete, sie wusste keinen Ausweg. Ihr Bruder fieberte wieder stärker, die Wunde am Arm war ganz heiß. Ihre Mutter machte Kräuteraufgüsse und betete. Ihr Vater bat um eine Sonderschicht in der Manufaktur, wo es seine Aufgabe war, die Blattgrößen und -qualitäten zu sortieren. Und der widerliche Aufseher erwartete sie an diesem Abend. Aashmi huschte nach draußen, um ungestört ihren Tränen freien Lauf zu lassen.
    Sie schlich sich an eine Quelle am Dorfrand, wo der Wald begann. Felsbrocken, von Schlingpflanzen bewachsen, boten zur Lichtung hin einen natürlichen Sichtschutz. Das unter einem Felsen hervorquellende Wasser strömte glucksend in einem Bächlein davon. Mit gesenktem Kopf kniete Aashmi am Ufer. Sie weinte ihre Tränen in den Bach. Vielleicht würde sich einer der Götter erbarmen.
    Plötzlich knacksten kleine Äste, Schritte kamen langsam näher.
    »Aashmi, bist du das?«, raunte eine sanfte Stimme. Ihre Tante Manjushree. Sie war die jüngste Schwester ihres Vaters, ebenfalls Pflückerin, noch wohlgerundet und sinnlich. »Ich hab dich vorhin durchs Dorf schleichen sehen.«
    Aashmi erhob sich und schlang ihre Arme um Manjushree. Ihre Tante wartete, bis sie sich ausgeweint hatte. Erst als ihre Nichte sich löste, um das Gesicht mit Quellwasser zu kühlen, fragte sie nach dem Grund ihres Kummers.
    »Zu mir kannst du doch offen sprechen, Kleines.« Sie setzte sich auf einen Felsbrocken.
    »Padma, mein Aufseher, will, dass ich heute Abend zu ihm komme.«
    »Oh!«
    Manjushree schwieg eine Weile und dachte nach. »Ich kenne viele Frauen, die nachts heimlich einen der Sahibs oder einen der Aufseher besuchen«, begann sie vorsichtig. »Die europäischen Männer mögen uns, weil wir ein natürliches Verhältnis zu unserem Körper und der körperlichen Liebe haben.«
    »Dieser Padma ist ein Widerling!« Aashmi spuckte aus vor Abscheu.
    »Aber oft ist es ja nicht zum Nachteil. Es kann auch sehr schön sein …«
    Die Tante dachte an ihre eigenen heimlichen Abenteuer. Sie hatte immer Glück gehabt. Einige der Männer, die sonst auf der Plantage den Ton angaben, reagierten besonders dankbar auf weibliche Zuwendung. Manchmal zeigten sie es mit kleinen Geschenken, die sie von ihren Darjeeling-Besuchen aus dem Bazar mitbrachten. Manchmal räumten sie ihnen bei der Arbeit angenehme Vergünstigungen ein. Nicht selten machte es auch einfach beiden Spaß. Ab und zu entstand sogar eine Liebe aus den kleinen Abenteuern. Jeder wusste davon, aber alle stellten sich blind. Die Tante seufzte, Aashmi tat ihr leid. Denn einige Männer verhielten sich auch sehr rücksichtslos. Sie waren schmutzig und benutzten ihre Untergebenen, manchmal sogar brutal, wie ein

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