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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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einladen?«
    Doch Samanthas Mutter war seine Tischdame für den Abend und entließ ihn nicht aus ihrer Aufmerksamkeit. Ohne Unterlass hatte sie sich zu Beginn des Empfangs über die Unzumutbarkeiten des Lebens in Indien beklagt. »Lassen Sie sich warnen, mein Guter. Bleiben Sie nicht zu lange hier. Darjeeling vergiftet ganz langsam das Leben. Hier sind Sie eingesperrt. Gütiger Gott!« Mit gedämpfter Stimme hatte sie enerviert betont: »Und Sie treffen immer nur die gleichen Leute …«
    Jetzt schenkte sie dem Lord ein vertrauliches Augenzwinkern. »Ich komme gern mit auf eine Spazierfahrt.«
    Der Lord gab sich für den Augenblick geschlagen und beschloss, etwas später erneut einen Anlauf bei der reizenden Pflanzertochter zu machen. Samanthas Mutter zupfte ihre Rüschenbluse zurecht und glättete den Rock ihres altmodischen Kostüms. Sie bemühte sich sichtlich um eine stolze und aufrechte Haltung, wie sie einer Lady gebührte, unterstützt durch ein fischbeinverstärktes Korsett. Der Lord immerhin wäre etwas nach ihrem Geschmack. Beide waren sie etwa gleich alt und verwitwet, Bridge spielte er auch – das verband doch schon einmal. Er sah auch nicht übel aus, die Halbglatze und den kleinen Bauch konnte man bei seinem gesellschaftlichen Hintergrund großzügig übersehen. Auf die Aura kam es an, und über eine solche verfügte er, das hatte sie schon bei ihrer allerersten Begegnung gespürt. Macht und Geld und beste alte Familie strahlte sie aus.
    In diesem Augenblick flog die Tür auf, und Samantha rauschte atemlos und deutlich verspätet in den Salon. Sie trug ein gelbes Abendkleid mit Volants, das Haar war zu einem Chignon gedreht, der sich bereits wieder auflösen wollte. Kathryn registrierte gleich die geröteten Wangen ihrer Freundin und wusste, dass sie frisch geküsst von ihrem tibetischen Prinzen kam. Durch Blicke gab sie Sam zu verstehen, dass alles geklappt hatte. Die machte einen kleinen Freudensprung, was ihre Mutter mit Missbilligung beobachtete.
    Carl und Gustav wurden derweil von Mr Whitewater umhergeführt und vorgestellt. Sie hatten keine Augen mehr für Kathryn, denn sie lernten jetzt Menschen kennen, deren Teegärten für sie seit Langem Legenden waren, hörten Namen, deren Klang sie berauschte: Marybong, Risheehat, Tukvar, Margaret’s Hope, Castleton, Jungpana, Nurbong, Selim Hill, Selimbong, Namring, Teesta Valley, Runglee Rungliot …
    Der Honorarsekretär des Himalaya Clubs entführte die beiden Deutschen in den behaglichen Billardraum. Sie klärten noch einige praktische Fragen.
    »Alle Pässe und die Ausweise zur Benutzung der Regierungsrasthäuser habt ihr?«, vergewisserte er sich. Sie duzten sich wie Bergsteiger auf der ganzen Welt.
    »Ja, und der Proviant ist bestellt«, fasste Carl zusammen, »ein Kurier ist schon unterwegs nach Gangtok, um dort weitere Verpflegung zu beschaffen. Die Ausrüstung ist bereit, bis auf ein paar Wollwesten für die Träger und ein bisschen Emaillegeschirr.«
    »Montag wählen wir die Träger aus«, ergänzte Gustav, »einen Koch und die Leibdiener für uns. Colonel Robbins kommt als Übersetzer mit.«
    »Als Sirdar kann ich euch einen Sherpa empfehlen, der schon mit Mallory und Irvine unterwegs war. Er hat sich mehrfach als Trägerobmann und Karawanenführer bewährt.« An den Wänden des Billardraumes hingen Fotos der dritten Mount-Everest-Expedition, der Honorarsekretär wies darauf. »Das ist jetzt sechs Jahre her«, sagte er bewegt.
    Einen Moment lang hörte man nur das Knacken und Knistern im Kamin, im Hintergrund Stimmengewirr. In der Stille wurde es Gustav und Carl direkt feierlich zumute. Bald war es so weit, es war längst keine Fantasie mehr, es würde auch kein Spiel, sondern eine gefährliche Unternehmung, bei der sie große Verantwortung trugen.
    Der Engländer räusperte sich. »Mallory und Irvine verloren beide ihr Leben. Sie sind genau hier vom Planters’ Club aus gestartet.« Seine Augen wurden feucht.
    »Seid umsichtig«, bat er sie bewegt, »vermeidet unnötige Risiken.«
    Carl und Gustav gaben ihm die Hand drauf, bevor sie zum Stehempfang zurückkehrten.
    Besonders Gustav genoss die Gespräche, erkundigte sich zurückhaltend und klug, erwarb sich rasch Respekt für seine Kenntnisse und erhielt zahlreiche Einladungen in andere Teegärten, auch, um mögliche Geschäftsbeziehungen zu ter-Fehn-Tee zu prüfen. Carl war froh, dass er sich in Deutschland extra einen Smoking hatte anfertigen lassen. Wahrscheinlich würde er das Ding nie

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