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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Stück Dreck. Dazu straften sie sie noch mit Verachtung.
    »Du musst vor allem aufpassen, dass du kein Kind bekommst.«
    Verzweifelt krallte Aashmi ihre Finger in ihr Gewand. »Ich will aber überhaupt nicht«, schluchzte sie, zitternd vor Hilflosigkeit und Wut. »Ich kann da nicht hin, lieber würde ich …«
    Ja, was denn?, fragte sie sich. Mich umbringen? Den Aufseher umbringen? Weglaufen? Aber wohin denn? Allein durch den Urwald, in dem Schneeleoparden und giftige Schlangen lauerten, ohne Weg und Ziel? Mich schikanieren lassen und zusehen, wie meine Familie langsam daran zugrunde geht?
    »Die Memsahib«, flüsterte sie auf einmal mit bleichen Lippen. Ja, sie könnte ihre Rettung sein! »Miss Whitewater hat gesagt, ich darf zu ihr kommen, wenn es Schwierigkeiten gibt.«
    Ihre Tante sah sie besorgt an. Nein! Das konnte man nicht machen! Die Eltern und den Oberaufseher und den Verwalter übergehen und sich beschweren. So etwas ging einfach nicht, das verstieß gegen alle Regeln.
    »Du weißt ja nicht mit Sicherheit, ob er dich ungerecht behandeln wird, wenn du ihm nicht gefällig bist«, sagte sie. Sie streichelte das verzweifelte Gesicht des jungen Mädchens. »Geh einfach nicht hin und sieh, was passiert«, lautete ihr Rat.
    Beim Empfang im Planters’ Club hatte Kathryns Vater wieder reichlich dem Alkohol zugesprochen, was ihr peinlich war, und den ewig gleichen Scherz gemacht.
    »Alkohol schadet nicht, Gentlemen«, pflegte er mit einem Glas Whisky in der Hand zu dozieren, »im Gegenteil, er konserviert von innen, er konserviert uns wie Mixed Pickles. Hahaha …«
    Gustav und Carl hatten noch darüber lachen können. Lord Taintsworth, ein freundlicher älterer Herr, Kathryn schätzte ihn auf Anfang fünfzig, besaß so viel Geld, dass er darüber nicht lachen musste. Er kam aus London, ursprünglich wohl von einer der Kanalinseln, die zwischen Großbritannien und Frankreich lagen, und war zu Besuch bei einem alten Freund, dem Sanatoriumsleiter Dr. Apple. Dessen Gattin wiederum, Marya Apple, Tochter eines bedeutenden Pflanzers aus dem Rungbong-Tal, war eine gute Freundin ihrer Mutter gewesen. Kathryn mochte sie sehr. Sie war eine jener seltenen Frauen, die eine durch echte Kultiviertheit, Güte und Reife gewonnene Schönheit ausstrahlten. Da sie alle Regeln perfekt beherrschte, bereitete es ihr diebische Freude, ab und zu gegen eine zu verstoßen.
    »Du siehst hinreißend aus, mein Kind!«
    Kathryn hatte ihre kräftigen Haare erst am Nachmittag in Darjeeling in Wellen legen lassen. Statt einer Halskette trug sie ein Art-Deco-Diadem mit Mondsteinen und Perlen mit passendem Ohrgehänge. Diademe trugen normalerweise nur verheiratete Frauen und Mütter, für die Unverheirateten galt eine Blüte im Haar als schicklicher, aber Kathryn hatte an diesem Abend Lust zu einer kleinen Provokation verspürt. In ihren Satinschuhen mit den hohen Absätzen ging sie anders als sonst, der lässig-elegante Hüftschwung trug ihr giftige Blicke einiger Damen ein. Kathryn hatte das Gesicht gepudert, die Lippen in einem dunklen Apricotton geschminkt und ihre Augenbrauen gebürstet. Ehrlich entzückt ergriff Mrs Apple ihre Hand.
    »Lass dich anschauen! Deine Mutter wäre stolz auf dich!«
    Sie drehte die junge Frau wie ein Tänzer seine Partnerin um die eigene Achse. Kathryn erinnerte sie an ihre Freundin, wie sie im gleichen Alter ausgesehen hatte. Mit Wehmut dachte sie an ihre unbeschwerte Jugendzeit vor dem Weltkrieg. Die Teepflanzer verdienten damals noch sehr gut, in den Metropolen von London über Paris bis New York waren Teesalons und Tanztees en vogue.
    »Wunderbar, und diese Linie! Wie eine Elfe, schau doch nur, Arnie!« Ihr Gatte, ein stattlicher, vertrauenerweckender Mann mit grauer, kaum zu bändigender Löwenmähne, nickte wohlgefällig, er unterhielt sich gerade mit Lord Taintsworth über eine Kunstausstellung, die er im Sanatorium organisieren wollte. »O ja, man sieht noch den italienischen Einschlag der Seite deiner Mutter. Bellissima!«
    Kathryn errötete.
    Lord Taintsworth starrte sie an. Schon an den beiden vergangenen Wochenenden hatte er den Blick kaum von ihr abwenden können. Nur um zu sehen, ob sie es wohl könnte, hatte Kathryn hemmungslos mit ihm geflirtet – kokett konnte sie immer nur zu Männern sein, die sie nicht wirklich reizten –, und sie hatte damit offenbar ein alterndes Herz in Flammen versetzt.
    »Miss … Miss Whitewater«, stammelte der Lord. »Darf ich Sie vielleicht zu einer Spazierfahrt

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