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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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sicher.
    »Seit wann?«, fragte sie hart.
    »Es soll schon zwei Jahre so gehen, munkeln die Dienstboten.«
    »Sie lügen!«
    »Fragen Sie die anderen … Ich bin ja noch nicht so lange hier. Die Frau heißt Manjushree. Und ist im Übrigen …«, nach einer kleinen Pause vollendete er den Satz mit vor Häme triefender Stimme, »… die Tante der unschuldigen kleinen Aashmi.«
    Kathryn maß den Aufseher mit einem eiskalten Blick. »Sie sind unverschämt. Holen Sie sich morgen beim Verwalter Ihre Papiere. Sie erhalten Lohn bis zum Monatsende und verschwinden aus Geestra Valley. Und jetzt raus hier. Sofort.«
    Kathryn konnte es nicht glauben. Ihr Vater! Mit einer Pflückerin! Heimlich und seit Jahren!
    Aufgebracht wollte sie in sein Zimmer stürmen und nach Beweisstücken suchen, doch auf halbem Weg dorthin hielt sie inne. Nein, das brachte sie nicht über sich. Das Schlafzimmer war das Allerheiligste ihres Vaters, nie hatte sie es in seiner Abwesenheit betreten.
    Kathryn war völlig durcheinander. Sie fühlte sich furchtbar und doch so, als würde das Schlimmste erst noch über sie hereinbrechen. Als müsste sie deshalb die Zeit bis dahin möglichst überlegt nutzen.
    Kathryn stapfte in die Küche, wo seit ihrer Kindheit die Köchin Yaya wirkte. Der fülligen, gutmütigen Bengalin entging nichts, was in diesem Hause von Bedeutung war. Sie rührte in einem Topf köchelndem Mango-Chutney, als Kathryn eintrat. Yayas hüftlanger, grau melierter Zopf schaukelte hin und her, während sie ein rhythmisches Lied sang.
    »Yaya«, fiel Kathryn gleich mit der Tür ins Haus, »stimmt es, dass mein Vater abends durch die Verandatür Damenbesuch bekommt?«
    Die Köchin verstummte. Bedächtig rührte sie weiter, fruchtig würziger Duft erfüllte die Küche.
    »Bitte, Yaya, sieh mich an und sag mir die Wahrheit.«
    Die lebenskluge Frau, die in allen Notlagen ein passendes indisches Sprichwort fand, schaute Kathryn mit ihren großen dunklen Augen an. Sie sprach nicht, aber ihr Blick war voller Bedauern.
    »Also stimmt es!«
    Yaya nickte kaum merklich, dann wandte sie sich wieder dem Kochtopf zu und sang leise weiter.
    Kathryn stand unter Schock. Und sie handelte, wie Menschen unter Schock handeln: kühl, konzentriert, ohne Empfindungen. Klar instruierte sie den verblüfften Verwalter Mr Brooks, dass sie Padma nie wiedersehen wolle.
    »Schmeißen Sie ihn raus! Von mir aus kann er noch das Geld für diesen Monat bekommen.«
    Mr Brooks starrte die junge Frau mit offnem Mund an. So kannte er Kathryn nicht.
    »Und außerdem muss ich für eine Weile weg. Ein dringender Notfall. Bitte, Mr Brooks, kümmern Sie sich inzwischen um alles. Mein Vater wird in wenigen Tagen wieder hier sein.«
    Kathryn packte ihre Sachen – wie gut, dass sie es in Gedanken schon einige Male durchgespielt hatte. Sie brauchte Kleidung für große Hitze und für extreme Kälte, ein Gewehr, Munition, Geld, Proviant, einen Schlafsack, Landkarte, Kompass, Taschenlampe, eine Thermoskanne mit Tee, eine Flasche Zitronellaöl gegen die Insekten und natürlich Sams Einreisegenehmigung. Kathryn ließ ihre Stute Joshi satteln und ein Pferd für die Lasten zäumen und bepacken. Ihrem Vater schrieb sie einen knappen Brief. Der Füllfederhalter hinterließ dabei einige königsblaue Tintenspritzer auf dem Papier.
    Wie konntest du das nur tun?
    Bin in Sikkim.
    Kathryn
    Hals über Kopf ritt sie los. Sie hoffte, die Expedition am nächsten Tage einzuholen. Erst mal musste sie hinunter zum Fluss, zur Brücke. Sie wusste, wo in etwa der Abstieg am günstigsten war. Zunächst führte der Weg an Teegärten vorbei, dann ging es steil auf serpentinenartigen Pfaden einen Abhang durch einen Wald aus Eichen, Kastanien und blühenden Magnolien zum Teesta hinunter. Vorsichtig tastete sich das Pferd übers Geröll.
    Kathryn bebte vor Wut. Ihr Vater, was auch immer sie ihm vorwerfen mochte, weil er sie in Internate abgeschoben hatte, war doch immer eine Autorität für sie geblieben. Der Held ihrer Kindheit und eine moralische Instanz. Sie ballte die Fäuste so stark, dass die Zügel sich schmerzhaft in ihre Handflächen schnitten.
    Was ihr Vater getan hatte, kränkte Kathryn zutiefst. Es war ein Verrat an seiner Frau, an ihrer Mutter. Noch dazu mit einer nepalesischen Arbeiterin! Wie konnte er nur? Also hatte sie sich neulich den Schatten auf der Veranda nicht eingebildet. Und alle außer ihr hatten es gewusst! Erst jetzt rollten Tränen über ihr Gesicht. Ihr Vater hatte heimlich eine Geliebte!

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