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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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für beide fungieren und die praktischen Anweisungen erteilen sollte. Carl war das recht, so konnte er sich stärker auf sein Hauptinteresse konzentrieren.
    Am Nachmittag erreichten sie ihr zweites staatliches Gästehaus in Sikkim. Vor dem schlichten hölzernen Pavillon hockte ein Pilger auf einem umgekippten Baumstamm. Ein Mann, der das Haus verwaltete, eilte ihnen entgegen und begrüßte sie wortreich mit vielen Verbeugungen.
    Colonel Robbins fragte als Erstes, ob es einen Sweeper gebe. Der Mann schüttelte den Kopf, er sagte etwas.
    Robbins wandte sich an Gustav. »Sie haben keinen Sweeper, die Bäder sind nicht in Ordnung. Der Mann hier ist Hindu und würde eher sterben, als diese Arbeit zu machen, das ist seiner Kaste nicht würdig.«
    Sie standen vor der Wahl, entweder selbst die verschmutzten Aborte zu säubern oder die Parole »Ab ins Gebüsch« auszugeben. Jetzt schaltete der Verwalter sich wieder ein. Der Colonel übersetzte, dass er für eine Gebühr einen Sweeper aus dem nächsten Dorf beschaffen könne. Während Robbins über den Preis verhandelte, prüften Carl und Gustav das nähere Umfeld.
    Carl beschlich auf einmal ein seltsames Gefühl. Beobachtete ihn jemand? Obwohl er aufmerksam umherschaute, konnte er nichts Auffälliges bemerken. Sein Verhalten alarmierte jedoch Gustav, der in die Runde spähte, bis sein Blick an dem Pilger hängenblieb. In diesem Moment schob der seine Kopfbedeckung zurück und enthüllte ein von Schlamm verschmutztes Gesicht, das wohl eher einer Frau als einem Mann gehörte. Irritierend grüne Augen blitzten Gustav vergnügt an. Das Gesicht verzog sich zu einem spitzbübischen Lächeln.
    Gustav stutzte. Als er die junge Frau erkannte, leuchtete für eine Sekunde auch in seinen Augen Freude auf, doch kaum hatte sein Verstand begriffen, was das zu bedeuten hatte, wechselte seine Stimmung.
    »Carl!«, brüllte er zornig und zeigte auf Kathryn, die ihnen jetzt freudig entgegensprang.
    Carls Herz setzte einen Moment aus. Er wollte die Arme ausbreiten, ließ sie aber gleich wieder sinken.
    »Kathryn! Was machst du denn hier? Wie kommst du hierher?«
    Gespannt auf die Reaktion der Männer erzählte Kathryn mit wenigen Worten, was passiert war.
    »Auf keinen Fall kommst du mit! Wir geben dich in Gangtok beim britischen Berater ab«, wetterte Carl. »Du kannst von Glück sagen, dass du bisher unbehelligt geblieben bist.«
    »Du gefährdest die gesamte Expedition, du bringst uns in Teufels Küche!«, schimpfte Gustav. »Außerdem bist du nicht stark genug für die Anstrengungen!«
    »Ich bin eine der besten Tennisspielerinnen Darjeelings!«
    »Meine Liebe, was uns erwartet, ist etwas anderes als ein bisschen Höhere-Töchter-Sport.«
    »In der Schweiz hab ich Bergsteigen gelernt!«
    »Was meinst du wohl, was dein Vater sagt? Du bist ja noch nicht einmal volljährig! Er wird uns zur Verantwortung ziehen.«
    »Ich will mit. Und ich kann das, ich war lange genug bei den Pfadfindern.«
    »Das ist verdammter romantischer Mädchenkram! Man sollte dir den Hintern versohlen!«
    Die Männer zogen sich ins Gästehaus zurück, um die Situation ungestört zu besprechen.
    »Wir können sie nicht allein zurückschicken. Das ist zu gefährlich. Gerade jetzt, wo wir wissen, dass eine Raubkatze in der Nähe ist«, überlegte Carl. »Wir müssten ihr zum Schutz mindestens zwei Männer mitgeben.«
    »Wir können aber keinen einzigen Mann entbehren.« Gustav fuhr sich über seinen blonden Dreitagebart. »Wir nehmen sie bis Gangtok mit. Dort bringen wir sie irgendwo sicher unter, und auf dem Rückweg nehmen wir sie wieder mit nach Darjeeling zurück.«
    Sie riefen Colonel Robbins hinzu und weihten ihn ein.
    »Sie ist mit der Einreiseerlaubnis ihrer Freundin Samantha Cox ins Land gekommen. Deren Mutter hatte einen Schlaganfall, deshalb musste sie im letzten Augenblick absagen.«
    Robbins schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. »Das geht nicht. Ich muss Meldung machen.« Betrübt blickte er von einem zum anderen. »Und ich kann nicht ausschließen, dass sie dafür in Gangtok ins Gefängnis gesteckt wird.«
    Carl zückte eine Schachtel Zigaretten, bot den anderen an und entzündete bedächtig ein Streichholz. »Lieber Lieutenant Colonel«, beschwichtigte er. »Wäre es nicht besser, wenn Kathryn als Samantha Cox harmlos und unauffällig bliebe?«
    Gustav pflichtete ihm bei. »Das wäre doch vernünftiger, als wenn Verwaltungsbeamte von Britisch-Indien gegen die Behörden in Gangtok aufgebracht

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