Die Rose von Darjeeling - Roman
würden, oder?«
»Nun, gewiss, doch wie Sie vermutlich ahnen, soll ich nicht allein übersetzen, sondern auch Obacht geben, dass alles mit rechten Dingen zugeht.«
Gustav korrigierte ihn. »Gewiss, mein Lieber. Vor allem aber doch wohl, um zu vermeiden, dass es zu diplomatischen Verwicklungen kommt.«
»Und unterschätzen Sie Kathryn nicht«, fügte Carl hinzu. »Sobald Sie ihr das Gefängnis von Gangtok in Aussicht stellen, wird die junge Dame die Flucht ergreifen und auf eigene Faust nach Darjeeling zurückreiten. Können Sie das verantworten?«
Robbins kratzte sich den Nacken. Das hier war eine verdammt heikle Angelegenheit.
»Ich werde mir die Geschichte in den nächsten Tagen gründlich durch den Kopf gehen lassen«, sagte er und ging hinaus.
»Das Einfachste wäre«, überlegte Gustav, »Kathryn bliebe freiwillig in Gangtok.«
»Aber das Kind ist leider sehr trotzig«, gab Carl zu bedenken.
»Dann müssen wir dafür sorgen, dass ihr die Lust am Abenteuer bis dahin vergeht … Als Erstes bestellen wir den Sweeper wieder ab.«
»Du hast Recht.«
Carl grinste. Sie würden auf sie aufpassen, aber dafür sorgen, dass ihr keine Unannehmlichkeit erspart blieb. Gustav grinste zurück, hielt seine Hand hin, und Carl schlug ein.
Als die Männer aus dem Gästehaus traten, schaute Kathryn sie erwartungsvoll an.
»Nur bis Gangtok«, wiederholte Gustav grimmig.
»Wenn du erst mal die sikkimesischen Blutegel kennengelernt hast, wirst du sowieso gern auf den Rest verzichten«, drohte Carl.
Kathryn ließ sich nicht beeindrucken. Die legendären sikkimesischen Blutegel waren doch nur ein Gräuelmärchen für Kinder, und außerdem hatte sie schon in Geestra Valley ab und zu nähere Bekanntschaft mit den lebenden Saugnäpfen gemacht. Die Biester fand sie zwar ekelig, aber deshalb würde sie bestimmt nicht in Hysterie ausbrechen. Die Männer wollten ihr nur Angst machen.
Kathryn erwiderte knapp und bestimmt: »Ich mach die ganze Tour mit, ihr werdet sehen.«
»Na dann!«, sagte Carl mit spöttischem Unterton. »Ich bin schon gespannt, was du bei den Pfadfindern gelernt hast.«
»Und wehe, du jammerst«, fügte Gustav böse hinzu.
»Phh!« Kathryn zuckte nur mit den Schultern und ging an einen eiskalten kleinen Gebirgsbach in der Nähe, um sich zu waschen.
Gustav sah ihr kopfschüttelnd nach. Nein, dachte er, sie kann auf keinen Fall an der gesamten Expedition bis zum Gletscher hoch teilnehmen. Das gäbe nur Ärger, Kameradschaft hin oder her. Seeleute sagten sogar, eine Frau an Bord bringe Unglück.
Gustav besann sich wieder auf seine Aufgabe als Anführer. Wie jeden Abend gab er letzte Anweisungen und verteilte an die Träger ihre tägliche Fettration und Zigaretten. Er konnte kaum erwarten, was der kommende Tag bringen würde.
Kathryn durfte in einer Ecke des Gästehauses schlafen. Als sie am nächsten Morgen aufbrachen, nahmen Carl und Gustav sie zwischen sich. Wenn es die Gegebenheiten zuließen, flankierten sie die eigensinnige junge Frau, sonst ritten sie hintereinander. Die meiste Zeit schwiegen sie. Sie wollten es Kathryn nicht zu angenehm machen und sich selbst erst gar nicht daran gewöhnen, dass sie ihnen Gesellschaft leistete. Die Stimmung litt darunter, was die Männer verärgerte. Auch die Gespräche zwischen ihnen waren nicht mehr so unbekümmert wie sonst.
Kathryn trug wieder ihre Reitkleidung. Versonnen betrachtete sie die Landschaft. Einige Berghänge waren gerodet und von Menschenhand terrassenförmig angelegt worden. Die Reis- und Hirsefelder leuchteten saftig grün, im aufgestauten Wasser spiegelte sich der Himmel wider.
Sie hatte ihre Sonnenbrille vergessen, was ihr wirklich Probleme bereitete, aber sie beklagte sich nicht. Keine Beschwerde sollte über ihre Lippen kommen! Das nahm sie sich fest vor. Kathryn ahnte, was die Männer im Schilde führten. Sie wollten ihr die Lust am Abenteuer vermiesen. Weshalb sie ihr auch keine Erleichterungen zugestanden. So hätte gut ein Träger ihr Lastpferd übernehmen können. Oder mussten sie den reißenden Bach wirklich unbedingt an der Stelle überqueren, wo es besonders beschwerlich war? Vermutlich wäre es an der Furt ein kleines Stück weiter viel bequemer gewesen. Sie machten außerdem kaum Rast, gerade so viel, wie die Träger benötigten – obwohl gewiss auch die Sahibs die ungewohnten Anstrengungen in den Knochen spürten, als es wieder bergab ging.
Euch werd ich’s zeigen, dachte sich Kathryn. Warum konnten Gustav und Carl sie nicht
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