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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lächelte.
    »Verbranntes thut net schön; aber daraus braucht man sich net viel zu mach’n. Ist der Oheim schon hier gewes’n?«
    »Nein; aber die Wirthschafterin war hier und hat auch nach ihm gefragt.«
    »Die Marie? Dann ist er net zu Haus’? Frau Pfarr’rin, ich muß aufsteh’n; es ist etwas passirt!«
    »Was denn?«
    »Ich waaß’s selbst noch net; aber ich hab’ heut’ Nacht gehört, daß im Fels’nbruch ‘was eingestürzt ist, und der Oheim war drauß’n. Wäre ihm nix gescheh’n, so hätt’ er mich schon längst aufgesucht. Ich muß auf!«
    »Das wird wohl schwerlich gehen!«
    »Es geht ganz leicht; die Haut ist nur aan wenig eng geword’n, und bei dem Lieg’n kommt auch net viel heraus. Bitt’, darf ich geh’n?«
    »Mir soll es lieb sein, wenn die Wunden nicht gefährlich sind; aber Schmerz bereiten sie genug, das kann ich mir denken. Hier ist ein anderer Anzug, den die Wirthschafterin mitgebracht hat.«
    Sie entfernte sich, und er begann, sich anzukleiden. Es ging doch nicht so leicht, als er gemeint hatte; aber die Sorge um den Oheim ließ ihn die Schmerzen überwinden, und bald hatte er dankend Abschied genommen und verließ das Haus.
    Als er an der noch rauchenden Ruine des Wiesenhofes vorüberkam, erblickte er Katharina, welche suchend unter den Gegenständen umherging, die zerstreut und vielfach beschädigt im Garten lagen.
    »Kathrin’!«
    Sie blickte auf. Als sie ihn erkannte, kam sie auf ihn zugeeilt.
    »Gustav, bist’ schon wieder gesund?« fragte sie, indem es freudig über ihre kummervollen Züge glitt. »Ich denk’, Du bist fast ganz verbrannt!«
    »Ich net, sondern bloß die Hos’n und die Jack’, und die paar Mäler, die ich dabei bekommen hab’, die werd’n bald vergehen. Was thut Dein Vater?«
    »Ach Gott, der ist fort und weg, und wir wiss’n net, wohin. Wir hab’n ihn schon im ganz’n Dorf gesucht, aber er ist nirgends net zu find’n.«
    Ihre Thränen flossen wieder. Er ergriff ihre Hand.
    »Laß’ gut sein, Kathrin’; er wird schon wiederkommen, und das Unglück hier läßt sich wohl auch noch überseh’n. Hat’s der Mutter ‘was gethan?«
    »Sie ist unverletzt, aber schwach und ganz trübselig. Ach, Gustav, wie ist’s doch so gar anders word’n, seit wir uns gestern im Bruch’ gesehen hab’n!«
    Die Erwähnung des Felsenkessels erinnerte ihn an den Oheim; er zog trotz der Leute, welche vereinzelt umherstanden, das Mädchen an sich und fragte:
    »Kathrin’, darf ich Dich lieb hab’n? Gestern wolltest’ mir’s net sag’n; erlaub’ mir’s heut’!«
    Sie nickte weinend.
    »Dann mach’ Dir kaane Sorg’; Du wirst noch weiter von mir hör’n! Jetzt aber muß ich fort. Leb’ wohl, Kathrin’, und grüß’ mir auch die Mutter!«
    »Leb’ wohl!« Trotz dieses Wortes hielt sie seine Hand fest und sah schluchzend zu ihm empor. »Gustav, thu’ mir heut’ ‘was zu Lieb’!«
    »Sag’s; ich will’s gern thun!«
    »Bitt’ Deinen Oheim, daß er dem Vater Verzeihung giebt! Der liebe Gott wird uns sonst noch mehr heimsuchen, als bisher.«
    »Ich werd’s ihm sagen, und er wird Dir Deine Bitt’ erfüll’n, Kathrin’, darauf darfst Du Dich verlass’n!«
    Als er den Tannenhof erreichte, waren die Bewohner desselben ebenso erfreut über sein unerwartetes Erscheinen wie besorgt über das unerklärliche Wegbleiben Haubold’s. Er hatte sich seit gestern Abend nicht wieder sehen lassen, und Niemand konnte sagen, wo er zu suchen sei. Marie befand sich in einem hohen Grade von Aufregung, die sie vergeblich zu verbergen suchte. Gustav kannte ihre außerordentliche Anhänglichkeit für den Oheim und verschwieg ihr darum schonend seine Vermuthung. Unter dem Vorwande einer Feldarbeit nahm er die beiden Knechte zu sich und begab sich mit ihnen nach dem Felsenbruche.
    Dort angekommen, erblickte er einen mächtigen Trümmerhaufen, welcher die Stelle bedeckte, an der das Kreuz gestanden hatte; die Kanzel war herabgestürzt und hatte ein breites Stück des Kesselrandes mit sich herniedergerissen. Sprachlos vor Entsetzen blieb er an der Mündung der Schlucht stehen, dann ermannte er sich und stürmte vorwärts.
    »Der Oheim ist zerschmettert und verschüttet. Vorwärts, wir müss’n ihn find’n, ihn oder seine Leich’!«
    Im Nu stand er bei den Trümmern; mit einem raschen, angstvollen Blicke hatte er die zerborstene Masse überflogen und gefunden, daß die Oberfläche derselben keine Spur von dem Gesuchten sehen lasse; er mußte unter ihr vergraben

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