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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kindlichen Vertrauens zurückzuweisen vermochte, und war fest entschlossen, trotz des väterlichen Verbotes um Mitternacht im Zechenhause zu sein, um die kurze Erzählung des Geliebten ausführlicher zu vernehmen.
    Die Stadt lag nicht weit vom Dorfe, und der Richter kehrte bald wieder zurück. Als die Stunde gekommen war, in welcher er nach dem Wirthshause zu gehen pflegte, nahm er gute Nacht und verließ den Hof. Nachdem er sich vorsichtig umgeschaut hatte, ob er bemerkt werde oder nicht, ging er um den Letzteren herum und schlug den Fußpfad nach dem Gottesacker ein. Das Gitterthor war verschlossen. Er sprang über eine schadhafte Stelle der Mauer und schritt auf das Häuschen zu, welches seine Geburtsstätte und für seinen Hochmuth ein Gegenstand der ärgerlichsten Erinnerung war.
    Aus dem Winkel hinter dem Hause klang das Summen eines Sterbeliedes; es verstummte beim Nahen seiner Schritte.
    »Ist wer da?« fragte es zwischen den Büschen hervor.
    »Ja. Komm’ heraus, Anton.«
    »Was willst? Sag’ Deinen Namen!«
    »Ich bin’s, der Frieder!«
    »Schon recht. Wart’, ich komm’ gleich!«
    Das Gesträuch theilte sich, und die lange, schmale Gestalt des Klapperbein wurde trotz des abendlichen Dunkels sichtbar.
    »Bringst das Geld?«
    »Ja. Hast mich gestern doch durch die Selma gemahnt, so daß ich vorhin in die Stadt gefahren bin, um das Fehlende zu borgen. Soll ich Dir es vorzählen?«
    »Nein; gieb her und wart’! Ich bring’ die Quittung heraus.«
    Ein leises, metallisches Klingen ließ sich vernehmen; dann trat der Klapperbein in das Haus. Durch die kleinen Fenster leuchtete einen Augenblick lang der trübe Schein einer Oellampe; sodann wurden die Läden verschlossen. Als der einsame Bewohner des Kirchhofes wieder zum Vorscheine kam, hielt er dem Richter ein Papier entgegen.
    »Hier hast die Quittung. Leb’ wohl bis übers Jahr!«
    »Kannst wohl gar nimmer ›schön Dank‹ sagen für die schwere Leistung, die Du so ruhig entgegen nimmst, als wär’s ein Katzenpfennig?«
    »Hab’s nicht nöthig! Gut’ Nacht!«
    »Es wird mir bei der jetzigen schlechten Zeit fast zu schwer, dem Land die tausend Thaler jährlich abzuringen. Kannst nicht ein Weniges davon heruntergehen?«
    »Tausend Thaler. So steht’s geschrieben, und so bleibt’s! Schlaf’ wohl!«
    »Dann bring’ ich es das nächste Mal wohl gar nicht zusammen.«
    »So nehm’ ich den Hof wieder zurück; er trägt mir dann das Doppelte ein. Gut’ Nacht!«
    Er trat in das Haus, wendete sich aber unter der Thür noch einmal zurück:
    »Schubertfrieder, sei mild und gerecht im Amt, sonst kann ich’s nicht länger verantworten, daß ich Dir den Richterhof gegeben hab’. Ich hoff’, daß ich übers Jahr nicht wieder so zu sagen brauch’!«
    Er schlug die Thür hinter sich zu und schnitt damit dem Bauer die Entgegnung ab.
    Dieser trat einen Schritt vorwärts, als wolle er ihm folgen, um die scharfen Worte zurückzugeben, drehte sich aber mit einer raschen Bewegung herum und verließ mit absichtlich lauten Schritten den Kirchhof auf dieselbe Weise, wie er ihn betreten hatte. Draußen blieb er halten.
    »So, jetzt denkt er, ich bin fort; aber ich kehr’ heimlich zurück und belausche ihn! Ich muß wissen, wo er das Geld aufbewahrt! Tausend Thaler Zins so lange Jahr’ hindurch, das ist eine Summe, die hier im Dorf kein Einziger beisammen hat! Das Essen bekommt er von mir noch extra, – weiter braucht er fast nichts – und ist also ein steinreicher Mann, trotz seiner lächerlichen Armethei. Ich hätt’ ihn nach dem Gesetz gleich damals verklagen sollen; jetzt kann ich’s nimmer thun. Er weiß das auch so gut wie ich und fängt darum an, widerwärtig zu thun. Vielleicht nimmt er mir gar einmal den Hof, der erst nach seinem Tod ganz richtig mein sein soll, und dann – ja dann ist’s keine Sünd’, wenn ich mir meinen Pachtzins wieder hol’!«
    Er ging leise eine kurze Strecke an der Mauer hin, stieg an einer anderen Stelle über sie hinweg und schlich sich wieder zum Todtengräberhause zurück. Den Hauptgang her erklangen Schritte. Der Klapperbein war es, welcher sie verursachte.
    »Schau den Fuchs, wie klug und vorsichtig er ist!« murmelte Schubert. »Er traut mir wahrhaftig nicht und ist mir nachgegangen, ob ich den Gottesacker auch wirklich verlassen hab’. Wart’, Du sollst schon bald inne werden, daß der Richterbauer auch kein Dummkopf ist, und Deinen Thalerplatz, den werd’ ich sicher noch heut’ entdecken!«
    Er trat an den

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