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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fensterladen, um zu sehen, ob er nicht durch eine Spalte in die Stube zu blicken vermöge. Der Klapperbein hatte sich an den Tisch gesetzt, das Geld bei Seite geschoben und blätterte in alten Kalendern herum.
    »Da kann ich warten und harren, bis es ihm gefällt, den Zins wegzulegen! Aber ich geh’ nicht eher fort, als bis ich weiß, wohin er ihn thut. Ich hab’ ja Zeit; zu Haus’ denken sie, ich bin in der Schänk’, und dort meinen sie, daß ich heut’ gar nicht fortgegangen bin.«
    Er wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt; eine Viertelstunde verging nach der andern, und die Mitternacht war schon nahe, als er endlich von dem Laden zurücktrat.
    »Jetzt ist er aufgestanden und hat das Geld gefaßt. Die Blendlaterne ist angezunden; er kommt damit an die Hausthür!«
    Er hatte sich nicht getäuscht. Der Klapperbein trat, die Laterne verhüllend, aus dem Hause, horchte einige Secunden lang in die stille, lautlose Nacht hinaus und verschwand dann in der Ecke, welche seinen gewöhnlichen Aufenthalt bildete.
    Der Richter zögerte noch kurze Zeit, dann huschte er an das Gebüsch, bog die Zweige so geräuschlos wie möglich auseinander und lugte vorsichtig hindurch. Der dreieckige Raum lag so vollständig im Dunkeln, daß nicht das Geringste zu erkennen war; aber tief unten aus der Erde drang ein spärlicher Lichtschein herauf, – er kam aus dem Grabe, welches der Klapperbein neben dem Hügel der Geliebten für sich bereitet hatte. Der Lauscher schob sich näher und blickte über den Rand in die Tiefe hinab. Eine Leiter führte hinunter. Die Grube correspondirte an ihrem Grunde mit dem Grabe Bertha’s, deren Sarg bei dem Schimmer der Laterne deutlich zu erkennen war. Unter seinem Boden mußte sich eine Vertiefung befinden, denn der Klapperbein zog eben den Arm daraus hervor; er hatte das Geld hineingelegt.
    »Nun hast Du wieder tausend Thaler zu bewachen! Zu Dir wagt sich kein Dieb, und das Geld ist ja nicht mein, sondern Dein. Ich bin todt, und Du lebst! Ich hab’ mich zu Tod’ gesündigt, und Du mußt Gutes thun, damit meine arme Seel’ zu Gnaden angenommen wird!« klang es dumpf empor.
    Der Richter hatte genug gesehen und zog sich eilig zurück. Sein Lauf zwischen den Gräbern hindurch war fast eine Flucht zu nennen, und als er außerhalb des Kirchhofes stand, athmete er in einem so tiefen, keuchenden Zuge auf, als sei er der ihm aus dem Grabe entgegengähnenden Verdammniß entgangen.
    »Das war er, der Sarg, in dem sie – sie – sie liegt, in den der Vater damals ihr – ihr – ihre zerschmetterte Leich’ hineingebettet hat. Ich konnt’ nicht dabei sein; ich konnt’s nicht erseh’n! Nun steckt er das Geld zu ihr, damit sie es bewachen soll, der verrückte Richterbauers-Anton, und wenn ich’s haben will, muß ich hinabsteigen und es ihr rauben. Die Höll’ ist nicht schwerer und schlimmer, als das!«
    Er schritt vorwärts. Je weiter er sich vom Kirchhofe entfernte, desto mehr legte sich seine Aufregung.
    »Und ich thu’s doch! Ich hol’ es mir, und wenn sie gleich selbst leibhaftig und lebendig dabeisitzt und es mir verwehren will. Wer todt ist, der ist todt! Sie kann ja nimmer aus dem Sarg hervor und sich vor mich hinstellen, um mir vorzuhalten, daß – daß – halt, da brennt auf einmal die Laterne droben beim Herrgottle! Die hat der Ludewig angesteckt und seine Anklag’ in den Kasten gethan. Soll ich hinauf?«
    Er blieb sinnend stehen und blickte zur Halde empor, von wo das Licht am Herrgottskreuzle klar und mild herniederleuchtete.
    »Wer mag der Herrgottsengel sein? Vielleicht hätt’ er doch Lust, dem Ludewig zu helfen; denn der Bub’ hat’s Allen angethan, und Jeder ist ihm gut. Wenn ich den Brief herausnehm’ aus dem Kasten, so ist der Sach’ am besten vorgebeugt. Ich steig’ hinauf; ich brauch’ mich doch bewahre vor dem Zechenhäusle nicht zu fürchten, wo damals – –« er stockte und fügte dann hinzu: »Es ist gar nicht nöthig, hineinzutreten; ich nehm’ den Brief und geh’ wieder fort. Der Ludewig ist längst schon wieder in das Dorf hinab.«
    Er klimmte an der Seite des Berges bis zu dem Strauchwerke empor, aus welchem die Haldenplatte hervortrat. Die kleine Fläche wurde von dem Lichte am Herrgottle vollständig erleuchtet, und es war nicht die geringste Spur von der Anwesenheit eines Menschen zu erkennen. Sich niederduckend, damit er von dem Thale aus nicht etwa gesehen werde, glitt er bis an das Kreuz, öffnete das Kästchen und zog den Brief hervor, welcher in

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