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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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demselben lag. In gebeugter Stellung wieder zurückeilend, hatte er die Sträucher fast erreicht, als behende eine Gestalt aus dem Zechenhause herbeisprang und sich ihm in den Weg stellte.
    »Willst wohl den Herrgottsengel spielen, Schubertfrieder? Warum vergissest da, die Laterne auszublasen? Das ist ja das Zeichen, daß der Engel den Brief empfangen hat!«
    Erschrocken, fast wie vom Schlage gerührt, streckte der Angeredete die abwehrenden Hände von sich. Bald aber hatte er den Sprechenden erkannt.
    »Der Ludewig!« rief er. »Fast hätte ich geglaubt, es sei der Engel Gabriel oder gar der Erzengel Michael selber! Statt dessen aber ist’s nur der Erzsmuggelbalzersbub’. Was willst von mir?«
    »Gieb die Anklag’ heraus; sie gehört in den Kasten!«
    »Warum nicht? Ich hab’ keine Furcht vor ihr; aber da ich sie einmal ergriffen hab’, so werd’ ich sie zuvor erst lesen. Vielleicht kann ich von dem Herrgottle seinem Briefschreiber etwas lernen.«
    »Der Herr Richterbauer hat nichts mehr zu lernen; er kann Alles, sogar den Wechselbetrug und den Briefraub. Also nun willst auch noch den Herrgott bestehlen, Schubertfrieder? Ich will Dich nicht darüber zur Red’ stellen, denn bei mir liegt eine Leich’ zu Haus’, die Dich im Himmel schon verklagen wird; aber den Brief giebst heraus, sofort und auf der Stell’, wenn Du nicht willst, daß ich mir ihn von Dir nehm’!«
    »Du – von mir? Versuch’s einmal, den Richterbauer anzugreifen! Das Schreiben lautet von mir, und so muß ich wissen, was Du darin geschrieben hast. Geh’ fort, sonst zeig’ ich Dir den Weg!«
    »Den Brief heraus, Schubertfrieder, sonst zeig’ ich Dir, wem er gehört!«
    Er langte nach dem Papiere. Der Richter schlug ihn auf den Arm, daß dieser niedersank. Im nächsten Augenblicke hatten sie sich gefaßt. Da rief es zitternd und bittend aus der Nähe:
    »Laß ihn los, Ludewig; laß ihn los; es ist der Vater!«
    »Wer ist das?« brauste der Richter auf. »Das ist ja die Selma!« Er nahm die Hände vom Gegner zurück und ließ vor Ueberraschung den Brief fallen. »Weißt, was ich Dir heut’ gesagt hab’? Blitz und Donner kommen auf einen Schlag! Paß auf, Herrgottsengel, wie der Richterbauer sich Gehorsam zu schaffen weiß!«
    Er ergriff das Mädchen und riß sie zu Boden. In diesem Augenblicke huschte ein Schatten gedankenschnell über die Fläche. Der Brief wurde aufgegriffen; die Lampe verlöschte im Nu, und eine tiefe, dröhnende Stimme antwortete:
    »Paß auf, Richterbauer, wie der Herrgottsengel seine Bittsteller schützt!«
    Eine hohe, im Dunkel der Nacht riesengroß erscheinende Gestalt fuhr vor ihm wie aus der Erde empor; ein schwerer, schmetternder Schlag streckte ihn zu Boden nieder, und dieselbe Stimme erklang:
    »Der Herrgottsengel hat Euern Brief empfangen! Schlaft ruhig, Ihr Kinder. Gute Nacht!«
III.
Beim Klapperbein
    Heute sollte der Schmuggelbalzer begraben werden. Der Leichenhans hatte Bahre und Sargtuch vor das Haus getragen und kehrte von da nach dem Kirchhofe zurück, um bei der Beerdigung behilflich zu sein und nach derselben die offene Grube zu verschütten. Er traf seinen Herrn und Meister, welcher nachsah, ob Alles sich im gehörigen Stande befinde. Still, wie immer, legte er die Seile und Unterlagen zurecht; der Klapperbein duldete keine überflüssige Unterhaltung, und es war daher für den schweigsamen Gehilfen ein Ereignis, als er die Frage hörte:
    »Ist der Richterbauer noch nicht aufgewacht?«
    »Erst seit einer Stund’ ist er wieder lebendig. Ich traf die Magd, welche es mir gesagt hat.«
    »Was muß doch nur mit ihm geschehen sein?«
    »Das wißt Ihr noch nicht? Er hat es selbst im Schlaf ausgeredet, als der Gregorius, oder wie der Wundarzt heißt, bei ihm gewesen ist. Denkt Euch nur, er hat einen Brief vom Herrgottle wegstehlen wollen, und da hat ihn der Herrgottsengel so arg beim Schopf genommen, daß er fast zwei volle Tag’ lang ohne Besinnung gewesen ist.«
    »Wem hat der Brief gehört?«
    »Das weiß Niemand; vielleicht gar dem Balzerludewig, denn er hat noch in der selbigen Nacht vom Herrgottsengel zweitausend Thaler geborgt bekommen, – denkt Euch nur! Es passiren jetzt ganz außerordentliche Sachen, die man gar nicht glauben könnt’, wenn die Nachricht nicht grad’ von der Botengustel käm’, die doch bei Balzer’s wohnt. Der Richter hat nämlich dem Ludewig einen gottlosen Wechsel gemacht mit dem er ihn aus dem Häusle jagen will. Der Ludewig ist aber gleich zum Herrgottle

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