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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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höhnisch auf. »Denkst wirklich, daß der richtige Herrgott im Himmel den Kasten an das Kreuz genagelt hat? Wer weiß, was für ein armseliger Strolch Euch Alle an der Nas’ herumführt! Vor dem ist mir nicht angst!«
    »Ihm wohl auch nicht vor Euch! Er mag sein, wer er will, aber er hat schon über zwanzig Jahr’ einem Jeden geholfen, der seinen Beistand werth gewesen ist; er wird Euch kennen und mich nicht verlassen!«
    »So!« Er griff hinter sich und nahm ein Papier zur Hand. »Dann will ich Dir gleich einmal zeigen, was ich von dem großen Helfer denk’. Hier ist der Wechselbrief; wenn ich ihn vorzeig’, mußt Du ihn bezahlen. Gilt’s jetzt, oder soll ich nachher in Deine Wohnung kommen?«
    »So lang’ ich das Haus noch hab’, ist’s Euch verboten, Schubertfrieder. Ich hab’ die Selma lieb und möcht’ gern Rücksicht auf sie nehmen; aber ich weiß, daß Ihr sie mir nimmer gutwillig gebt, und so wollen wir gleich unsern Strauß beginnen. Sie wird mein, wenn ich ihn gewinn’!«
    »Das macht mir keine Sorg’! Also hier ist der Brief; schau ihn an; ich will mein Geld. Hast welches?«
    »Nein, ich kann nicht zahlen!«
    Die beiden erst so erregten Männer waren jetzt scheinbar ruhig geworden; ihre Worte erklangen fast im geschäftlichen Tone.
    »Nicht? So geb’ ich Dir Zeit bis übermorgen früh.«
    »Ich hab’ auch dann kein Geld!«
    »So laß ich Dich pfänden. Ich hab’ noch heut’ ein Geschäft in der Stadt und werd’ dabei den Wechselbrief gleich dem Notar übergeben. Soll ich vielleicht befehlen, daß Dir immer eine Stub’ im Armenhaus geöffnet werd’?«
    »Wartet noch ein wenig!« Seine Stimme konnte doch ein zorniges Beben nicht verbergen. »Wir wollen erst sehen, wer mächtiger ist, Euer Notar oder mein Herrgottsengel.«
    »Das kannst versuchen! Aber mach’ den Brief recht schön und setz’ ein Hochgeboren voran, denn Dein Advocat kommt aus den Wolken herab. Bist nun fertig?«
    »Ja, ich kann geh’n, denn was ich Euch noch über den Tod des Vaters fragen könnt’, das werdet Ihr mir doch nicht beantworten.«
    »So geh’, und komm’ mir ja nicht wieder. Und läßt Du Dich ein einzig’s Mal bei meinem Mädchen blicken, so wirst sehen, was geschieht! Marsch fort, Herrgottesschreiber!«

    »Leb’ wohl, Todtengräberfrieder; komm’ gut zum Notar und erstick’ nicht unterwegs an Deiner Schlechtigkeit!«
    Er ging. Sein Inneres war übermäßig aufgeregt, und der Zorn verdunkelte ihm die Augen, so daß er Selma, welche an der Hausthür ängstlich seiner harrte, fast gar nicht bemerkte.
    »Halt, wirf mich nicht über den Haufen!« meinte sie. »Bist wohl gar droben in der Oberstub’ gewesen?«
    »Ja. Ich geh’ heut’ um Mitternacht zum Herrgottle. Komm’ hinauf in die Zech’, Selma; ich soll nicht mehr mit Dir sprechen!« erwiderte er und eilte, ohne ihr weiter Rede zu stehen, davon.
    Da erscholl auch schon aus dem Hoffenster die Stimme des Richters, welcher dem Knechte zurief:
    »Spann’ die Braunen schnell an das Rollwägle; ich muß noch nach der Stadt!«
    Nach einiger Zeit kam er herunter und trat zu Selma in die Küche, wo sie das Abendbrod bereitete.
    »Sag’ nachher dem Klapperbein,« gebot er, »er braucht’ mich nicht an die Zeit zu erinnern; ich hätt’ den Tag auch ohne ihn gewußt! Und für Dich hab’ ich auch etwas: Mit dem Schmuggelludewig ist’s von jetzt an aus, daß Du’s nur weißt. Treff’ ich Euch irgendwo beisammen, so ist Dein Brod gebacken. Richt’ Dich danach; Du weißt, ich sag’ nichts zweimal, sondern es fällt dann Blitz und Donner ganz auf einen Schlag!«
    Sie wendete sich ihm zu, um einen Einspruch zu erheben; er aber achtete nicht auf diese Bewegung, sondern schritt nach dem Hofe, wo er in dem schon bereit stehenden Wagen Platz nahm. Die Pferde zogen an, das Geschirr fuhr zum Thore hinaus und rollte auf dem Wege zur Stadt dahin.
    Noch niemals war Selma mit so schwerem Herzen nach dem Kirchhofe und von da zurück gegangen. Ludwig hatte die Wahrheit gesagt; sie konnte den Vater nicht lieb haben; sie fürchtete ihn nur. Er war so stolz auf den Richterhof und ließ es ihr entgelten, daß sie ein Mädchen war, auf das er Besitz und Amt zugleich nicht vererben könne. War der schreckliche Betrug, den er an Ludwig verübt haben sollte, wirklich eine Thatsache, oder lag vielleicht doch auf Seite des Letzteren eine Täuschung vor? Sie fühlte sich unglücklich darüber, daß sie die erste Hälfte dieser Frage nicht mit der ganzen Entrüstung eines

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