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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hab’!«
    »So!« Der junge Mann rang nach dem fehlenden Athem, ehe er weiter sprechen konnte. »Wer ist also der Schuldner, wer hat die zweitausend Thaler zu zahlen, Richterbauer, Ihr oder ich?«
    »Du, natürlich Du! Oder glaubst Du etwa gar, daß ich auf meinen Sechzigtausendthalerhof hab’ Geld leihen müssen vom Schmuggelbalzer? Verrückt genug wärst vielleicht doch dazu!«
    »Ja, zum Verrücktwerden ist’s, Schubertfrieder, geradezu zum Verrücktwerden, diese infame Schlechtigkeit von Euch! Boshafter kann kein Räuber und kein Mörder sein, als Ihr, und diese Wechselgeschicht’ ist ein richtiger Todtengräberstreich, der Einen unter die Erd’ zu bringen vermag! Erst habt Ihr den Vater in Sünd’ und Schuld geführt, das weiß das ganze Dorf, und nun wollt Ihr auch den Sohn verderben. Habt Ihr kein Gewissen?«
    Der Richter trat auf ihn zu und senkte den scharfen, drohenden Blick fest in sein loderndes Auge.
    »Hör’, Bursch’, nimm Dich ein wenig mehr zusammen, sonst könnt’ es Dir leicht an den Kragen geh’n! Dein Vater war mein Schulkamerad und auch sonst und später ein guter Freund von mir, d’rum mag Dir auch Dein Wort einmal zu Gut’ gehalten sein, aber nur dies eine Mal, merk’s genau! Er hat gern in ein Häusle kommen wollen und mir so lang’ gute Wort’ gegeben, bis ich bereit war, ihm das Geld dazu zu geben. Ich hab’s aus Lieb’ und auch ganz ohne Zins gethan. Gestern nun hat er den Tod gefühlt und ist so ehrlich gewesen, nach mir zu schicken, weil ich über die Schuld bisher nichts in der Hand gehalten hab’. Auf seinen Befehl ist die Urkund’ von Dir unterzeichnet worden; Du erbst das Haus und auch die Pflicht, mich zu bezahlen. So ist’s. Er hat noch vor der Unterschrift den Wechselbrief gelesen und Du auch, das kannst nicht leugnen, und wenn Du nicht gesehen hast, was Du unterschreibst, so kann mich nur die Botengustel und der Herrgottsengel dauern, daß sie so einen unkundigen und leichten Passagier in ihren Dienst genommen haben. Jetzt geh’, und komm’ mir nimmer wieder in das Haus! Den Wechsel wirst schon bald zu seh’n bekommen!«
    »Also ist’s wirklich so gemeint, Schubertfrieder? Und Ihr denkt, mich richtig damit abzuspeisen?« Er sprach langsam und ruhig, aber diese Ruhe war eine solche, wie sie dem Sturme voranzugehen pflegt. »Ich bin heut’ in der Stadt beim Advocat gewesen und hab’ ihm die Sach’ ganz genau erzählt. Er hat mir einen Wechselbrief gebracht, auf den ich schreiben mußt’, was ich gestern Euch geschrieben hab’, und darauf gemeint, wenn es so sei, wie ich erzähl’, so sei der reiche Richterbauer ein ganz gefährlicher und raffinirter Spitzbub’, vor dem sogar der Schinderhans sich verkriechen müßt’, aber machen könn’ ich nichts gegen ihn; den Wechsel müßt’ ich zahlen, selbst wenn ich eine Anzeig’ machen wollt’; ich hab’ ja keine Zeugen. Aber verklagen werd’ ich Euch dennoch – oder – ich bring’ lieber gleich jetzt die Sach’ zu End’. Der Wechsel wird wohl hier zu finden sein; gebt ihn heraus!«
    Mit einem raschen, entschlossenen Schritte stand er vor dem Bauer. Dieser wich keinen Zoll breit zurück. Der Grimm, welcher bei den Worten Ludwig’s in sein Gesicht gestiegen war, wich einem ruhigen, verächtlichen Lächeln.
    »Willst mich etwa erschlagen und nachher das Papier fortnehmen? Der Raubmord ist zu Vielem gut, sogar zum Zuchthaus und zum Galgen! Schlag’ zu, Schmuggelbalzersbub’; es ist kein Zeug’ vorhanden! Nachher heirathest die Selma und wirst Richterbauer. Schlag’ zu!«
    »Die Selma?« fragte der junge Mann, zurücktretend. »Frieder, daß Ihr diesen Namen nennt, das ist ein Glück für Euch und auch für mich!« Er holte tief Athem, als sei eine große Gefahr an ihm vorüber gegangen. »Nein, vergreifen werd’ ich mich nicht an Euch, dazu ist mir meine ehrliche Hand zu gut, sondern es bleibt bei Dem, was ich vorher gewollt hab’: Ich werd’ Euch verklagen.«
    »Warum bist Du nicht gleich in der Stadt geblieben und aufs Gericht gegangen? Hast Dich wohl vor dem Haus gefürchtet?«
    »Aufs Gericht? Nein, dahin geh’ ich nicht, sondern an einen besseren Ort, wo ein Gesetz gilt, das keine Hinterthür besitzt. Ich verklag’ Euch beim Herrgottsengel. Gleich jetzt werd’ ich den Brief aufschreiben und ihn heut’ Abend in den Kasten thun. Paßt auf, Schubertfrieder! Um zwölf wird die Latern’ herniederleuchten, und morgen schon ist Euer Urtheil fertig!«
    »Beim Herrgottle?« Er lachte

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