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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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um sich und sah den weinenden Mann über die Platte des Tisches gebeugt. Dieser Anblick brachte ihm das Bewußtsein der gegenwärtigen Lage zurück. Er erhob sich vorsichtig und trat leise hinter den Schluchzenden. Einen Blick auf das Papier werfend, hatte er es im nächsten Augenblicke ergriffen und machte Miene, es zu zerreißen wie das vorhergehende. Er kam nicht dazu. Der Beraubte drehte sich blitzschnell ihm zu und ergriff seine Hände mit solchem Drucke, daß er die Schrift mit einem Schmerzensrufe fallen ließ; sofort hatte der Klapperbein sie aufgehoben und in die Tasche verborgen.
    »Halt, Schubertfrieder, solch’ einen Schatz laß ich mir nimmer rauben! Also darum kannst den Namen Bertha nicht erhören, weil Du ihr – –«
    »Bist still jetzt auf der Stell’, oder ich – –«
    »Thu’ nicht so grausam mächtig, Schwestermörder; der Stachel ist Dir genommen! Du bist der Geier, dem seine Krall’ verschnitten ist, und wirst jetzt Rechenschaft ablegen, hörst, jetzt sogleich!«
    »Rechenschaft? Dir etwa?« grollte es halb wüthend, halb furchtsam aus dem Munde Schubert’s hervor.
    »Ja, mir! Oder meinst etwa, daß ich Dich nicht bezwingen kann? Denselben Spieß, den Du bisher gegen mich gerichtet hast, kehr’ ich um gegen Dich, und wehe Dir, wenn Du Dich nicht freiwillig unterwirfst! Ich nehm’ die fürchterliche That, die bisher auf meiner Seel’ gelastet hat, von ihr herunter und werf’ sie auf die Deinige. Schmuggelfrieder, Du hast die Bertha –«
    »Halt’ ein, und laß den Namen fort, sonst sollst mich kennen lernen!«
    »Da kommst zu spät; ich kenn’ Dich schon genug und bin nicht mehr bang’ vor Dir. Du hast die Bertha, hörst wohl, die Bertha, die Bertha« – er faßte ihn mit mächtigem Griffe bei den Schultern, hielt ihn fest, daß er sich fast nicht zu rühren vermochte, und rief ihm das Wort langsam und mit schwerer Betonung in das Gesicht – »Du mußt’s hören, und wenn die Angst Dir die Augen aus dem Kopf hinaus treibt, die Bertha hast ermordet, die Deine eigne Schwester war! Hier in meiner Brusttasch’ steht’s geschrieben, ausführlich und genau, und Du hast es dem Schmuggelbalzer unterzeichnen müssen, grad’ so, wie Du’s von mir erzwungen hast. Bist etwa feig genug, es zu leugnen?«
    »Laß los, Anton, und bring’ das Wort nicht wieder, so bin ich vielleicht zum Reden bereit!«
    »Zu reden brauchst nicht viel; ich hab’ genug gelesen. Du bist ein Schaudermensch, daß man Dich flieh’n und meiden möcht’ wie Teufelsspuk. Du hast mich belogen und betrogen, hast mich in Ketten und Banden geschlagen, hast mir mein Herz vergiftet und die Sonn’ meines Lebens ausgelöscht. Deine Schuld hast auf mich gelegt und damit Schacher und Wucher getrieben bis auf den heutigen Tag; aber Dein schändlich’ Thun hat um Rach’ empor geschrieen zum Himmel, und der Herrgott hat darein geschaut und Dich nun endlich unter sein Scheermesser genommen. Grad’ da, als Du am sichersten warst und dem einzigen Zeugen noch im Tod betrügen wolltest, da hast Dich selbst betrogen und der Straf’ grad’ in die Hand gearbeitet. Nun ist die Lüg’ entdeckt, die Ketten sind zerrissen, mein Herz wird wieder heil, und die Tag’, die ich noch zu leben hab’, sie dürfen hell und freundlich sein. Es giebt einen Richter, der im Verborgenen waltet und aller menschlichen Berechnung lacht; ihm bist verfallen, und bis er sein Urtheil spricht, hat er Dich einstweilen in meine Hand gegeben. Was meinst, daß ich mit Dir thu’?«
    Der Gefragte schwieg; er blickte starr und unentschlossen vor sich nieder. Es entstand eine Pause, und dann klang es merklich milder:
    »Schubertfrieder, Du hast den Richterbauers-Anton zum Klapperbein gemacht; benutz’ die Freud’, die er in diesem Augenblick empfindet, sonst find’st Du kein Erbarmen! Warum hast Du die That begangen?«
    »Ich hab’ sie nicht begangen, denn ich hab’ sie nicht gewollt, sondern der Stoß, welcher die – der Stoß galt einem Anderen,« lautete die zögernde Entschuldigung. Der harte, gewissenlose Mann hatte mit seinem verstörten Angesichte jetzt Aehnlichkeit mit einem wilden Thiere, welches sich mit ohnmächtigen Grimme gegen einen überlegenen Gegner sträubt. Er suchte in seinem Innern nach einer Waffe; sein Sinnen schien vergebens zu sein.
    »Einem Anderen? Ah, jetzt wird’s vollends licht in mir; dieser Andere war ich! Ist’s so richtig?«
    Es dauerte eine Weile, ehe die Antwort kam. Ein eigenthümlich lauernder Zug glitt über

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