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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eignes Herz! Es ist von noch viel härterem Gefüg’ als das meinige. Schau, da geh’n die Trauerleut’ vom Kirchhof zurück. Denk’ d’ran, wie bald sie auch Dich hinausgeleiten können, und trag’s der Selma nicht nach, daß sie mitgewesen ist!«
    »Ich will jetzt nichts mehr sagen. Der Kopf brennt mir wie glühend Eisen, und den Hieb, Anton, den kann ich Dir nur schwer vergessen. Wenn ich mich leg’ und nimmermehr ersteh’, so bist Du schuld daran!«
    »Hast ihn verdient, Frieder, und wirst nicht daran sterben. Hast ja schon mehr als das mit Leichtigkeit auf Dich genommen!«
    Er ging. Schubert trat zum Fenster und blickte ihm finster nach, bis er ihn droben hinter dem Gitter verschwinden sah.
    »Welch’ eine Stund’!« seufzte er tief auf. »Ich hab’ das Gesetzbuch und weiß, daß ich mit dem Hof nichts gegen ihn vermag, und er läßt sich durch keine Red’ verschüchtern. Wenn ich nur wüßt’, warum er den Pacht verschwiegen hat und warum er für arm gelten will! Vielleicht ist er gar der Herrgottsengel. Er weiß Alles, was der Ludewig geschrieben hat, und der Hieb, es ist ganz derselbige, welcher vor Zeiten den Vetterbauersfranz, nachher den Knecht und endlich auch mich beim Kreuzle niedergestreckt hat. So einen Schlag kann nur der Anton thun, das weiß ich ganz genau von jungen Jahren her.«
    Er öffnete die Thür und rief die Tochter herbei. Sie gehorchte mit Bangigkeit, weil sie die Folgen ihres Ungehorsams fürchtete.
    »Schickst heut’ dem Klapperbein das Essen, oder gehst selbst hinauf?«
    »Warum sollt’ ich es ihm schicken? Er mag einen anderen Boten nicht leiden!«
    »Ich dacht’, weil Du vielleicht im Sterbehaus von Nöthen bist.«
    Sie blickte überrascht zu ihm empor.
    »Darf ich denn hinüber?«
    »Ich hab’ nichts dagegen. Sag’ dem Klapperbein, er soll um Zwölf heut’ bei mir sein, ich hätt’ ihm Wichtiges mitzutheilen!«
    Sie entfernte sich, froh, das grade Gegentheil ihrer Befürchtungen erfahren zu haben, und mußte unwillkürlich an die Worte des alten, geheimnißvollen Freundes denken: »Der Klapperbein hat Trost und Hilf’ für Dich, wenn Du einmal eines mächtigen Beistandes von Nöthen bist.« Hätte sie jetzt das Gesicht ihres Vaters gesehen, so wäre ihre Freude wohl eine minder große gewesen.
    »Da hab’ ich Glück und Seligkeit bereitet,« lachte er in sich hinein, »und damit den schlauen Zug begonnen! Die Kirchhofsscheuch’ legt meine Schrift und den Wechsel sicher nirgends wo anders hin, als in die Leichensparbüchs’, die ich erlauscht hab’. Ich schieb’ den Riegel vor und steig’ zum Fenster hinab; meine Botschaft bringt ihn vom Gottesacker fort, und während er an der verschlossenen Thür denkt, ich lieg’ im tiefen Schlaf, räum’ ich den ganzen Schatz hinweg. So bekomm’ ich die Schrift, den Wechselbrief und meinen ganzen Pacht zurück, und dann, Klapperbein, dann werd’ ich anders mit Dir sprechen, als heut’, wo mir die Klugheit rieth, klein nachzugeben. Der Richterbauer ist nicht so leicht zu überwinden; er braucht kein Kreuzle und keinen Herrgottsengel und weiß sich selbst den allerbesten Rath! Und wer weiß, was gar noch geschieht, wenn der Todtenhäusler das leere Nest bemerkt! Der Schreck ist ein mächtiger Gesell und hat schon Manchen niedergeworfen, der stark und rüstig war. Das wär’ der beste Schluß für unser Stück und der schönste Lohn für seine Mahnung, ich soll’ d’ran denken, daß sie auch mich bald einscharren werden!«
    Mit erleichtertem Herzen bereitete Selma das Abendbrod und stieg dann ihren täglichen Weg zum Kirchhofe empor. Der Leichenhans war noch beschäftigt, das Grab Balzer’s auszufüllen.
    »Grüß Gott, Jungfer Selma! Bringst das Deputat für den Herrn?«
    »Ja. Ist er daheim?«
    »Wo sollt’ er sein? Er kommt ja gar nie fort, und es ist das größte Mirakel, daß er heut’ einmal ausgewesen ist. Was mag ihn doch nur weggeführt haben?«
    »Er war beim Vater.«
    »Bei dem Deinigen? Da muß es etwas ganz Absonderliches gegeben haben, denn als er zurückkam, hab’ ich ihn kaum wieder erkannt. Er hat ein Gesicht gemacht, wie ein jung’ Bursch’ von zwanzig Jahren, der von der Liebsten kommt, ist bei mir eine ganze lange Zeit im Gespräch gestanden, und dann hab’ ich ihn gar ein lustig Stücklein trällern hören, was grad’ unerhört zu nennen ist. Geh’ zum Winkel; er ist darin!«
    Als sie die Büsche erreichte, vernahm sie ein lautes, jubilirendes Reden. Sie konnte die einzelnen Worte

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