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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht unterscheiden, da die Töne aus der Tiefe kamen. Der Klapperbein erzählte seiner Todten von dem Glücke, sich nicht länger als ihren Mörder anklagen zu müssen. Er vernahm den Ruf des Mädchens erst nach einer Wiederholung desselben und kam dann hervor.
    »Bist’s, Selma?« fragte er. »Hast Zank erhalten für den Begräbnißgang?«
    »Nein. Der Vater hat sogar gesagt, ich soll am Abend zu Balzer’s geh’ n.«
    »Das hör’ ich gern. Gieb her den Korb!«
    »Weißt auch etwas von der Wechselgeschicht’?« erkundigte er sich, als er wieder aus dem Hause trat.
    »Ich weiß Alles.«
    »Wie wird es enden?«
    »Ich kann es nicht sagen; aber der Ludewig hat vom Herrgottsengel das Geld erhalten, das er zur Noth bezahlen soll.«
    »Er wird’s nicht brauchen, sag’ ihm das; ich weiß es ganz genau. Und Eins will ich Dich fragen: Was giebst mir, wenn er der Richterbauer wird und Du die Bäuerin?«
    »Das – das ist – – unmöglich!« wollte sie ausrufen, aber der Klapperbein war lachend schon hinter der Hausthür verschwunden.
    Seine Frage nahm ihre Gedanken so in Anspruch, daß sie den Auftrag des Vaters auszurichten vergaß und sich beeilte, recht bald zu dem Geliebten zu kommen.
    Sie fand ihn und seine Mutter in Gesellschaft der Botengustel, welche herbeigestiegen war, um den Leidtragenden ihre Theilnahme zu beweisen. Im Laufe des Gespräches berichtete sie von der unerwarteten Nachgiebigkeit ihres Vaters und den seltsamen Worten des Todtenhäuslers.
    »Ich glaub’ selber auch, daß ich das Geld nicht brauch’,« meinte Ludwig. »Der Wechselbrief hat seine Kraft verloren, und für den Nothfall ist’s doch nur gewesen. Es brennt mir in den Händen, und d’rum werd’ ich mich heut’ beim Kreuzle bedanken und zugleich anfragen, was mit der Summe nun werden soll. Ein solches Geld darf ich doch nicht so leichtsinnig in den Briefkasten thun; es könnte ja gar der Unrichtige darüber kommen. Gehst mit hinauf, Selma?«
    »Ja, doch muß ich zuvor sehen, was der Vater macht.«
    »So geh’; unterdessen werd’ ich den Brief beginnen!«
    Sie fand die Thür zu dem Zimmer des Richters von innen verriegelt, auch brannte kein Licht. Jedenfalls schlief er also, und so konnte sie den Gang unternehmen. Als sie, das warme Tuch zum Ausgehen um den Kopf geschlungen, wieder bei Balzer’s eintrat, betheuerte die Botengustel:
    »Bist doch die Bertha, wie sie leibt und lebt! Grad’ so, mit übergeschlagenem Tuch, kam sie des Abends zu mir, um den Richterbauers-Anton zu treffen. Du hast ihre Gestalt und auch dasselbe Gesicht, und wenn ich Dich so steh’n seh’, denk’ ich nicht anders, als: es muß die Bertha sein!«
    Mit verschämtem Lächeln nahm sie das Compliment hin; sie wußte, die Tante war ein schönes Mädchen gewesen, das schönste für lange Zeit im ganzen Dorfe.
    Unter traulich ernstem Gespräche stiegen die beiden jungen Leute den Berg empor und erreichten die Halde eben, als es Zwölf schlug. Diese Stundenzahl erinnerte Selma an den vergessenen Auftrag. Sie erschrak.
    »Zwölf ist’s? Ich soll den Klapperbein für diese Zeit zum Vater bitten und hab’ nicht daran gedacht! Was thu’ ich, Ludewig?«
    »Für jetzt um Mitternacht? Das däucht mir fremd! Aber die Botschaft muß ausgerichtet werden. Wir geh’n jetzt gleich hinab!«
    Der Briefkasten am Kreuz war schon aufgeschlossen. Ludwig legte seinen Brief hinein und steckte die Laterne in Brand. Dann eilten sie zum Kirchhofe hinab. Sie fanden das Gitterthor nur angelehnt, doch hielten sie sich nicht mit Betrachtungen darüber auf. Die Scheu, mit welcher man einen solchen Ort zu solcher Stunde betritt, ließ sie unwillkürlich leiser auftreten.
    »Schau durch den Laden, Ludewig, ob noch Licht ist in der Stub’!«
    »Es ist keins darin.«
    »So schläft er schon. Die Kammer ist hinten an der Mauer. Wir müssen um die Eck’ herum und an das Fenster klopfen!«
    Das schon sonst nicht furchtsame und durch die Gegenwart des Geliebten noch mehr ermuthigte Mädchen trat ihm voran zu den Büschen. Sie schlüpften hindurch. Nur einige Schritte vor ihnen drang ein heller Lichtschein aus der Erde empor, und es war doch wohl ein kleines Erschrecken, mit welchem sich Selma an Ludewig schmiegte.
    »Er ist in seinem Grab, das er sich neben der Bertha gemacht hat,« flüsterte dieser. »Ich werd’ einmal hinabschauen!«
    Er trat leise an den Rand der Grube, um hinunter zu blicken, wich aber sofort und fast erschrocken wieder zurück.
    »Weißt, wer’s ist,

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