Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
hast Dich herumgewälzt, so wirst wohl wieder ausseh’n wie ein –.« Sie unterbrach sich; denn erst jetzt bemerkte sie, wie sauber er vor ihr stand. »Du bist gewaschen und apart gemacht! Wer hat das gethan?«
»Die Großmutter hat’s gethan und die Lindenbäurin. Ich hab’ sie d’rum gebeten, weil’s der Herr Lehrer will, und auch mit dort gegessen.«
»So, also bist doch noch bei der schönen Minna gewesen! Hab’ ich Dir’s nicht verboten, Du widerwilliger Schlingel Du? – Curt, nimm ihn einmal vor; Du wirst der Vater und kannst gleich heut’ beginnen!«
Der Bräutigam nickte zustimmend und langte nach dem Knaben. Die Husarenuniform, welche er trug, gab ihm ein gar stattliches Aussehen, und wer ihn nur nach seinem Aeußeren beurtheilte, brauchte sich nicht zu wundern, daß er der schönen Fährmannbäuerin lieber war, als ihr erster Mann, von dem sie sich hatte scheiden lassen, weil das Gericht eine mehrjährige Freiheitsentziehung über ihn verhängt hatte.
Paul wich um einige Schritte zurück.
»Mutter, schlag’ Du mich lieber! Der Kurt ist nicht mein Vater; ich mag ihn nicht leiden!«
»Ach so, mein Junge, Du bist mir nicht gut?« meinte der Verschmähte. »Mir geht es mit Dir auch nicht anders; das hast wohl schon gemerkt, und ich will es Dir noch obendrein beweisen!«
Er faßte ihn, legte ihn über das Knie und machte von der ihm zugesprochenen väterlichen Gewalt einen so kräftigen Gebrauch, daß ihm die Bäuerin Einhalt that.
»Kurt, hör’ auf; es ist genug für jetzt! Nun geh’, Du Schlingel, und laß Dich heut’ nicht wieder seh’n, sonst nehm’ ich Dich noch selber vor!«
Der Knabe hatte keinen Laut von sich gegeben.
So wehe ihm die Schläge thaten, er wollte den Verhaßten keine Thräne sehen lassen und ging nach seinem Zufluchtsorte im Stalle.
Als die Leute beim Abendbrode saßen, so daß er ungesehen fortkommen konnte, nahm er seine Flinte und schlich sich über den Hof und hinaus auf die Gasse.
Es war mittlerweile dunkel geworden; er konnte unbeobachtet seinen Weg verfolgen, trabte das Dorf hinab und schlug den wohlbekannten Weg nach der Stadt ein, wo er früher öfters mit dem Vater gewesen war. Daheim war die Liebe für ihn erstorben; er wollte den holen, in dessen Herzen sie sicher mit ungeschwächter Stärke fortlebte, und seine kindliche Phantasie wußte nichts von einer Unmöglichkeit, seinen Plan auch auszuführen.
So wanderte er vorwärts, ruhte zuweilen aus und dachte mit seliger Freude an den Augenblick, der ihm den Vater wiedergeben werde. Sein Muth blieb trotz des weiten Weges sich immer gleich, bis er die einige Stunden von dem Dorfe entfernte Stadt erreichte.
Es war sehr spät, und nur hier und da schimmerte ihm ein einsames Licht entgegen. Er kannte die Gegend, in der das Schloß lag, welches jetzt als Landesstrafanstalt eingerichtet war; die Großmutter hatte es ihm gezeigt und war mit ihm um den Graben herumgegangen, der einst zur Befestigung des Platzes angelegt, jetzt aber mit allerlei Küchenpflanzen bebaut worden war. Hier hatte er den Vater gesehen, hier mußte er ihn auch wieder finden, so glaubte er und bog, als er die dunkle Masse des Schlosses sich seitwärts erheben sah, von der Straße ab.
Als er den Graben erreicht hatte, blieb er horchend stehen. Das unheimliche Gebäude da drüben machte doch einen beengenden Eindruck auf ihn.
Langsame abgemessene Schritte ließen sich hören; sie rührten von den Außenposten her, welche zur Nachtzeit rings um das Schloß gelegt waren, um alle Communication zwischen hüben und drüben zu verhüten und dem etwaigen Ausbruche eines der Gefangenen mit der scharfgeladenen Waffe zu begegnen.
Wer lief da unten? War es der Vater oder ein Anderer? Er durfte nicht rufen, sondern mußte den Mann erst sehen. Leise schlich er sich an dem Rande des Grabens vorwärts, bis er an eine Stelle kam, wo die Mauer, welche senkrecht hinunter ging, sich zu einer Böschung verflachte, die den Graben für die zuweilen nothwendigen Fuhrwerke zugänglich machte.
Hier schlich er sich hinab.
Das Gefühl, welches jetzt über ihn kam, machte seine Schritte vollständig unhörbar, und er kam eine ziemliche Strecke in dem Graben weiter, ehe er bemerkt wurde. Da stieß er an einen Stein.
»Wer da!« rief eine laute, barsche Stimme.
Er fürchtete sich und suchte auszuweichen.
Jetzt sah der Posten trotz der Dunkelheit die Gestalt, welche sich in einiger Entfernung von ihm bewegte.
»Halt, steh’!« gebot er.
Der Angerufene
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