Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
der Mägde; »hier hast ein Stückle Brod!«
    Er nahm die trockene Schnitte mit dankbarem Lächeln in Empfang und schickte sich an, die Stube zu verlassen, kehrte aber noch einmal zögernd um.
    »Mutter, der Herr Lehrer sagt, ich muß gewaschen werden und gekämmt. Auch das Kleid ist zerrissen. Ich darf so nicht wiederkommen!«
    »Was sagt der Lehrer?« fragte sie, zornig aufblickend. »Willst gleich hinaus und Dich von ihm selber balsamiren lassen! Mir fehlt grad’ noch, daß ich mich mit dem Schmutzvolk abzugeben hab’!«
    »Ich bin der Struwelpeter geschimpft worden auf der Gasse!« wagte er hinzuzufügen.
    »Das bist auch richtig, Du widerwärtiger Fink! Geh’ fort; ich schäme mich, wenn ich Dich nur seh’!«
    Er blickte verlegen vor sich nieder und schlich sich dann nach dem Ofen, hinter welchem der Kamm zu finden war.
    »Was willst da hinten? Willst wohl noch auch den Kamm verschimpfiren und zerbrechen? Mach’ Dich nur schnell hinweg, sonst sorg’ ich für flinke Beine!«
    Mit drohend erhobener Hand trat sie auf ihn zu. Er floh bis an die Thür, wo er im Gefühle des Unrechtes, welches ihm geschah, die muthige Bemerkung machte:
    »So geh’ ich zur Großmutter. Die Lindenbäurin wird mich waschen!«
    Er kam nicht zur Thür hinaus. Sie war rasch auf ihn zu getreten und schlug ihm die vom Teige beklebte Hand in das Gesicht, daß er kopfüber zu Boden stürzte.
    »Was willst thun? Zum Lindenhof willst geh’n, zur alten Fährmann’sher’, und Dich von der schönen Minna streicheln lassen? Hier hast Eins; das ist genug für Dich! Nun leck’ den Teig ab; weiter bekommst doch nichts zur Hochzeit! Und wenn ich hör’, daß Du wirklich dort gewesen bist, so nehm’ ich Dich noch anders vor!«
    Sie öffnete die Thür und stieß ihn hinaus, daß er an die gegenüberliegende Wand taumelte und auf die harte Steinplatte niederstürzte. Er raffte sich lautlos wieder empor und hinkte nach dem Stalle, in dessen hinterster Ecke sich ein Lager von Strohgewirr befand, unter welches er seine Schulrequisiten verbarg. Nachdem er sein Stückchen Brod mit sichtlichem Appetite verzehrt hatte, zog er aus dem Stroh einen hölzernen Säbel, welchen er umgürtete, und eine Flinte hervor, schwang sie mit selbstbewußter, trotziger Miene auf die Schulter und marschirte dem Orte zu, nach welchem er die Spielkameraden bestellt hatte.
    Sie waren schon in voller Thätigkeit und hatten sich in Räuber und Soldaten getheilt, welche Ersteren von den Letzteren gefangen genommen werden mußten. Die Verbrecher waren bisher im Nachtheile gewesen, so daß sich die Mehrzahl von ihnen schon in Gefangenschaft befand. Als sie den Kommenden erblickten, jubelten sie ihm freudig entgegen.
    »Jetzt ist der Hauptmann da,« rief Einer; »der bringt die große Flint’ und wird uns frei machen! Schieß’, Paul; dann reißen wir aus!«
    »Bleibt nur immer ruhig steh’n, bis ich sie All’ zu Tode getroffen hab’; ausgerissen aber wird nicht vor dem Soldatenvolk. Das wär’ die größte Schand’ für uns. Wer ist der oberste Corporal?«
    »Ich!« antwortete der Betreffende mit wichtigem Gesichte.
    »So kommst Du grad’ zuerst daran. Paß auf; wenn ich losdrück’, so mußt Du hinfallen und liegen bleiben, bis wir gewonnen haben!«
    Hier gab es keine Widerrede. Das war schon hundert Male so gewesen, und der Fährmann’s Paul litt keinen Ungehorsam. Er schoß die Soldaten alle todt und ließ sie erst wieder lebendig werden, als ein neues Spiel begann.
    »Ich thu’ auch mit!« meinte da ein neu Herbeigetretener. Es war Derjenige, welcher nach der Schule eine so schnelle Bestrafung gefunden hatte.
    »Nein, Du bleibst davon!« wies ihn Paul zurück. »Mit Dir ist’s aus für immer. Wer schimpft, der taugt zu keinem Soldaten und zu einem Räuber vollends gar nicht. Ich mag Dich auch gar nicht frei machen, wenn sie Dich eingesteckt haben!«
    »Da wärst Du auch der Richtige!« klang die geringschätzige Antwort. »Du kannst ja nicht einmal Deinen Vater frei machen! Er ist auch ein Räuber. Er hat die Truhe ausgeleert und sitzt nun im Zuchthaus. Schieß’ ihn doch heraus, wenn Du’s vermagst, Fährmann’s Paul!«
    Er hatte kaum ausgesprochen, so fuhr ihm die Flinte des kleinen Anführers an den Kopf.
    »Da hast noch Eins, Du böser Bub’, der Du bist! Mein Vater ist der Best’ im ganzen Dorf; er ist viel besser noch, als Deiner. Er hat das Geld nicht genommen; er ist unschuldig eingesteckt; die Großmutter sagt’s und die Minna auch. Und wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher