Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
schon kommen und preis’ unendlich glücklich den, dess’ Aug’ den Sonnenstrahl Dir spend’n darf!«
»Frieder!«
Sie sprach nur dies eine Wort, aber der Athemzug, der es durch ihre Lippen trug, kam aus der tiefsten Tiefe ihres Innern und klang so voll und lang, als wolle er ihm ihre ganze Seele entgegenhauchen. Sie legte ihr tief gesenktes Köpfchen an den nahen Erlenstamm. Er sah es nicht, er hörte es nicht, nur sein Herz sagte ihm, daß sie weine. Das war jene stille, innerliche Weise, in der sie auch den häuslichen Kummer so lange Zeit hindurch getragen hatte. Er ließ sie gewähren, bis sie das Köpfchen hob und ihm langsam die Hand entgegenstreckte.
»Leb wohl, Frieder. Ich darf net wieder zu Euch kommen!«
»Warum net?«
»Ich bin so klein, so gar nix werth; die Perl’ und der Demant ist mir versagt!«
»Denkst’ wirklich?«
»Ja, wahrhaftig!«
Da zog es ihm mit Macht die Hände empor, die er segnend auf ihr Haupt legte.
»O, bleib so klein und gering, dann bist’ so groß und herrlich! Aber wiederkommen mußt’, sonst weiß ich net, was ich beginn’. Willst’, Martha?«
Der Ton dieser Bitte klang so unwiderstehlich und ihr eigenes Herz mahnte so dringlich; sie nickte zustimmend.
»Wenn Du gebiet’st, so muß ich folg’n, Frieder. Gut’ Nacht!«
»Gut’ Nacht!« –
Als er nach Hause kam, empfing ihn die Mutter mit sanftem Vorwurf.
»Warum kommst’ so spät, Frieder? Die Marthe war da; ‘konnt’st auch ‘mal mit ihr sprech’n!«
»Laß gut sein, Mutter; sie wird Euch schon wieder besuch’n. Dann bleib ich zu Haus’.«
Sie gingen schlafen. Frieder wartete, bis es im Hause ruhig war, dann nahm er aus dem Sekretär ein Etui, in welchem ein Revolver lag. Er lud ihn vorsichtig und steckte ihn dann zu sich.
»Die Büchs’ paßt net zu solchem Gang, das lehrt die Geschicht’ mit dem Vater. Ich nehm’ hier diese Waff’; sie ist leicht zu führ’n und wird mich net verlass’n, wenn ich sie brauchen muß. O Martha, was bist’ doch für ein armes, armes Kind! Ich glaub’, wenn der Zweig von meinem Hut herunter ist, so hast’ den Vater verlor’n. Aber sie soll nimmer erfahr’n, daß sie ihn selber verrath’n hat. Wie kommt der Feldbauer zu der Rechnung mit dem Kaufmann drüb’n und zu dem vielen Geld? Wie ist derselbe in seine Händ, gerath’n, daß er ihm sogar die Schwäg’rin und die Nicht’ verkauf’n muß? Warum geht der Bauer stets punkt Acht schlafen und ist dann selbst im Nothfall net zu sprech’n? Feldbauer, ich geh Dir aus dem Weg, aber den Waldkönig, den darf und muß ich such’n; hab Acht, daß ich net Dich dabei ertapp’! Wärst’ besser mit der Frau und mit dem Kind, so könnt’st vielleicht noch Gnad erhalt’n trotz dem blinden Vater; so aber hast’ die Nachsicht ganz verscherzt und magst uns erlös’n von der Rach’ und die Deinen von dem Unheil das Du über sie gebracht hast!«
Er verließ leise den Hof und schritt dem Walde in der Richtung des alten Stollen zu. Im freien Felde benutzte er jeden Strauch und jede andere Gelegenheit zur Deckung, um nicht gesehen zu werden, und im Forste spannte er seine Sinne auf das Höchste an, jede Begegnung zu vermeiden. Beim leisesten Geräusch trat er hinter einen Stamm, bis er die Ueberzeugung hegte, daß er ohne Sorge weiter gehen könne. So kam er nur langsam vorwärts, und es war bereits Mitternacht, als er die Taubgesteinshalde erreichte, auf deren Plateau der Stollen gemündet hatte.
Diese Mündung war verbaut und verschüttet worden und so dicht von Gebüsch und Dornzeug umwachsen, daß ohne Säge oder Axt unmöglich zu ihr zu gelangen war.
»Hier sind sie net. Sie brauch’n ein Versteck; das ist der Stoll’n, und weil sie hier net hineingelangen können, so muß der Eingang weiter ob’n sein!«
Er folgte der Richtung des unterirdischen Ganges und kam an eine Stelle, wo die Decke desselben eingebrochen war. Die dadurch entstandene trichterförmige Vertiefung war ihm von früher sehr wohl bekannt, und er wußte ganz genau, daß das nachgestürzte Land keine in den Stollen führende Oeffnung frei gelassen hatte. Doch war keine Stelle so wie diese zum Versteck geeignet, und die menschliche Hand konnte ja nachgeholfen haben, um dasselbe so sicher wie möglich zu machen.
Um den Rand des Trichters zog sich ein üppiges Hasel-und Pulverholzgesträuch, in welches er sich verbarg. Es war die höchste Zeit gewesen, denn kaum hatte er sich am Boden in eine bequeme Lage gebracht, so raschelte es
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