Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
ich sag’, ich geh zu Euch. Sie hat die Dein’ge nur wenig getroff’n, aber sie hält gar große Stück’ auf sie und kann gar net begreif’n, warum der Vater so groß’n Haß auf Euch geworf’n hat.«
»Das kannst’ erfahr’n: Er hat meine Mutter net bekommen und kann darum sie und den Vater net leid’n. Ich bin ihm heut im Wald begegnet, und er hat mich verschimpft und mit mir raufen woll’n.«
»Hast’ mitgethan, Frieder?« frug sie mit ängstlicher Schnelle.
»Nein. Ich hab’ an Dich gedacht, den Schlag abgewehrt und bin dann fortgeeilt.«
»Frieder, willst’ mir ‘was versprech’n?«
»Ja, wenn sich’s mit meiner Ehr’ verträgt.«
»Bitt’, geh ihm aus dem Weg; thu mir’s zu lieb!«
»Ich werd’s thun; das hab’ ich um Deinetwill’n ihm heut schon gesagt. Ich kann mir denk’n, daß Ihr gar Viel zu erduld’n habt, und will Euch net noch größern Gram bereit’n.«
»Ach ja, Frieder, wenn Du wüßtest, wie der Vater ist! So hart, so finster, so ganz ohne Herz und Gemüth! Ich sag’ nur wenig, und das Wen’ge sogar würd’ ich verschweig’n, wenn’s mein rechter Vater wär. Ich war noch jung, kaum aus der Schul’, als er kam und die Mutter zur Frau begehrt’. Ich konnt ihn net ersehn und meinen todt’n Vater net vergess’n; darum hab ich geweint und gefleht, aber es hat nix geholf’n, denn der Oheim hat die Mutter gezwungen, ja zu sag’n.«
»Gezwung’n? hat er das Recht und die Macht dazu?«
»Das Recht wohl net, aber die Macht. Er ist ein großer Kaufmann drüb’n über der Grenz’, und der Feldbauer ist oft kommen und hat große Rechnung mit ihm gehabt und viel Geld von ihm empfangen. Wir hab’n seit dem Tode des Vaters bei ihm gewohnt und ich bin grad’ wie das Kind gewes’n, bis mich der Bauer fragt’, ob ich nun auch ‘mal seine Tochter sein möcht’. Ich hab’ mich gesträubt und die Mutter auch, der Oheim aber hat gemeint, er geh’ zu Grund’, wenn sie’s net thu’. Der Bauer hat ihn in der Hand gehabt, weshalb, das weiß ich heut noch net, und um den Oheim zu errett’n, ist sie endlich mitgegangen. Jetzt nun hat sie nix als Gram und Thränen, und ich bin so angst, daß sie’s net verwind’n kann. Frieder, ich hab in meinem ganzen Leb’n noch niemals Wem ein Leid gethan, aber den Vater, den Feldbauer, den – den – den hass’ ich; ja ich hass’ ihn, denn er kommt mir net anders vor als wie der böse Geist, dem die Mutter und ich verschrieb’n sind, damit er uns statt Glück und Fried’n nur Gram und Qual bereit’!«
Sie gab sich ihren so lang zurückgehaltenen Gefühlen hin und merkte kaum, daß sie offener sprach, als es vorher ihre Absicht gewesen war. Ihre Worte hatten für Frieder einen geradezu kostbaren Werth, auch abgesehen von dem rückhaltslosen Vertrauen zu ihm, welches sie so deutlich bekundeten. Er ließ sie aussprechen, dann versuchte er den besten Trost, den er einem Charakter wie dem ihrigen zu geben vermochte.
»Weißt’, Martha, daß auch die bösest’ Sach’ eine gute Seit’ besitzt?«
»So wird gesagt, Frieder, aber bitt’, such’ mir die gute Seit’!«
»Die seh’ ich ganz genau; sie steht vor mir.«
Sie blickte ihn fragend an.
»Wie so?«
»Du bist’s ja selber! Schau, wenn ein großes Leid ins Herz herniedersteigt, so bleibts net leer und hohl, sondern es wächst in der Seel’ ein Kristall nach dem andern und leuchtet hinauf und hinaus. Es sprieß’n tausend Blumen auf, die net verwelk’n und vergeh’n; aus jede Thrän’ wird eine Perl, und jeder Pulsschlag wirft einen Diamant hervor. Der Pflug der Leid’n thut dem Acker weh, aber die Ernt’ ist unsagbar reich und köstlich. Sie wächst und reift verborg’n und tritt zu Tag’, wenn die Lieb’ beginnt, den Strahl auf sie zu werf’n. Wer solch ein Herz besitz’n darf, der gibt’s net hin für Millionen, denn jeder Blick, den es durch’s Auge wirft, jedes Wort, das es durch die Lippen spricht, und jede That, die es mit der Hand beginnt, ist fromm und rein wie der Gedank’, der in ihm wohnt. Da ist net eine Spur von Falschheit, Trug und Täuschung, da gibt es nix von Tand und Flitterwerk, das nur die Leerheit deckt und zur Verachtung führt, sondern All’s ist echt und wahr und lauter. Gib mir dies Herz oder all’n Reichthum, alle Macht und Ehr’ der Welt, ich nehm’ es fest und laß mirs nimmer rauben. Auch bei Dir ist das Leid früh eingekehrt, und Du hast bisher nur die schlimme Seit’ erkannt; ich aber sah die reiche Ernt’
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