Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Angelegenheit sein, die ihn in den Wald geführt hatte.
»Weich aus, Bub’,« kommandirte er; »heut geht’s anders als vorher!«
»Ja, heut weich’ ich aus, aber net weil Ihr’s gebietet, sondern aus ganz andrem Grund.«
»Den Grund, den kennt man schon! Leut’ unvermuthet überfall’n, das kann Jeder, aber wenn er off’n angeredet wird, da geht nur ein Lump und Feigling auf die Seit’.«
Frieder trat ruhig auf ihn zu, legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und sah ihm mit blitzenden Augen in das blauroth angeschwollene Gesicht. Es lag dabei Etwas in ihm, was der Bauer nicht zu definiren vermochte, ihn aber abhielt, den allerdings auch nur vielleicht beabsichtigten Kampf zu beginnen.
»Feldbauer, Ihr habt wohl kein Verständniß für noch andre und viel bess’re Gründ’, weg’n denen man einer Rauferei ausweicht. Und was den Lump und Feigling betrifft, so kann nur ein solcher es unternehmen, einem Blinden, der sich net zu wehr’n vermag, die Peitsch’ anzubieten. Das muß ich Euch sag’n, und nun gehabt Euch wohl!«
Der Bauer schob die Tabakspfeife, welche er bisher im Mund behalten hatte, schnell in die Tasche und faßte ihn am Arme.
»Ihr habt noch mehr verdient als die Peitsch’, Ihr alle Beid’. Nimm Dich nur in Acht, daß Du dem Waldkönig net auch in die Hand geräthst, sonst wirst mich gar nimmer lang mehr sehn. Hier hast’ den Trumpf drauf!«
Er schlug mit der Faust nach dem Gesicht Frieders, dieser aber parirte den Hieb und faßte dann die beiden Arme des Gegners mit einer Gewalt, daß dieser einen Laut des Schmerzes ausstieß.
»Feldbauer, ich hab Euch schon gezeichnet, und Ihr wißt ganz genau, daß ich mich net vor Euch fürcht’. Darum werd’ ich Euch aus dem Weg gehn, so gut ich kann, denn der Klügst’ gibt nach. Erhebt Ihr aber den Arm nur noch ein einzig Mal geg’n mich, so schlag’ ich hin, wo sich’s gehört, und dann seid Ihr kaput!«
Er ließ ihn los, um seinen Weg fortzusetzen. Die Ruhe des Waldes gab seiner Stimmung schon nach kurzer Zeit das verlorene Gleichgewicht wieder, und der Groll wich den freundlichen Regungen, welche die Begegnung mit Martha in ihm zurückgelassen hatte.
Den Blick nachdenklich zur Erde gesenkt, gewahrte er plötzlich eine Ringelnatter, welche sich quer über denselben schlängelte. Er folgte ihr zwischen die Büsche, um sie zu ergreifen, doch machte das hohe Haidekraut ihm dies so schwierig, daß sie ihm zwischen einigen Steinen entkam, welche einen jener Witterstöcke bilden, die man häufig in auf felsigem Boden stehenden Wäldern findet. Er hob den ziemlich schweren Granit in die Höhe und gewahrte – nicht die Natter, sondern einen Zettel, welcher auf dem plattgedrückten Boden lag. Auch ohne ihn aufzunehmen, konnte er deutlich die mit Bleistift geschriebenen Worte lesen: »Beim alten Stollen um 12.«
Was war das? Er untersuchte den seltsamen Fund. Das Papier war weiß und sauber, als käme es erst aus dem Laden, und da der Boden hier ziemlich feucht war, so konnte es nur seit erst kurzer Zeit hier liegen. Er brachte den Zettel an seinen Ort zurück, gab dem Steine genau die frühere Lage und warf dann einen forschenden Blick auf die Umgebung.
Nur einige Schritte von ihm entfernt hatte der Stößer eine Taube zerrissen, die Federn lagen auf dem Boden zerstreut und einige von ihnen in der unmittelbaren Nähe des Steines. Diese Letzteren waren im Gebrauch gewesen, wie sich gleich beim ersten Blicke zeigte: es hatte Jemand die Tabakspfeife mit ihnen gereinigt, wie sich aus dem Geruche erkennen ließ.
»Der Feldbauer!« stieg es in Frieder auf, und sofort folgte eine andere Ahnung, die ihm das Blut in die Schläfen trieb, so daß er es dort vernehmbar pulsiren fühlte. »Nimm Dich nur in Acht, daß Du dem Waldkönig net auch in die Hand geräthst, sonst wirst mich gar nimmer lang mehr sehn,« klang es ihm auf einmal wieder in das Ohr und – – –
Er hatte keine Zeit, den Gedanken auszudenken; ein leises Rascheln ließ sich aus der Richtung des Pfades her vernehmen, und er hatte kaum Zeit, sich unter einem jungen Tannenwuchs zu verbergen, so trat ein Mann zwischen den Büschen hervor, hob den Stein ein wenig, warf einen Blick auf den Zettel und verschwand dann so schnell, wie er gekommen war.
»Es ist so, wie ich dacht’,« flüsterte Frieder in höchster Erregung. »Der König hat den Bestellort hier. Ich bleib da und wart’, wer kommt!«
Er versteckte sich so unter dem dichten Tannicht, daß er nicht bemerkt werden,
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