Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
klugen Musikanten fielen mit einem lustigen Walzer ein, und wirklich verfehlten die Töne auch hier ihre Wirkung nicht: die Angreifenden zogen sich zurück und wurden durch die antretenden und bald sich drehenden Paare zerstreut. Einige Augenblicke später befand sich kein Soldat mehr im Saale; sie standen alle unten beim Feldwebel, welcher Kriegsrath mit ihnen hielt. Er war in die Zweige eines grad unter dem Fenster stehenden Baumes gestürzt und zwar arg zerrissen und zerkratzt, innerlich aber nicht beschädigt worden.
»So ‘was darf nur der Bachfrieder thun,« meinte er, die Spuren des Sturzes so viel wie möglich beseitigend. »Hätt’ ich gewußt, daß er es ist, so wär’ ich vorsicht’ger gewes’n und hätt’ mich net so unvermuthet packen lass’n. Jetzt muß ich nach Haus’, um die andre Uniform anzuthun, denn diese hier muß zum Schneider; nachher aber komm’ ich wieder, und dann wird sich’s find’n, was wir thun. Geht hinauf und wartet, bis ich zurückkehr’!«
Frieder saß ruhig bei den Frauen und unterhielt sich gut mit ihnen. Die Feldbäuerin war zwar eine hohe, früher wohl kräftige Gestalt, jetzt aber hatte das Leid sie geschwächt und gebeugt und den bleichen, einst jedenfalls schönen Zügen seine tiefen Spuren eingegraben. Sie besaß eine über ihren jetzigen Stand weit hinausgehende Bildung, deren segensvolle Wirkung er ja an der Tochter deutlich erkannt hatte, und war erfreut, einmal ein Gespräch führen zu können, welches bei dem einfachen Leben des Dorfes ihr einen seltenen Genuß bereitete.
Er bemerkte, daß die Soldaten zurückkehrten, sah auch die Blicke, welche sie ihm zuwarfen und ahnte, daß der kaum beendete Streit eine Fortsetzung finden werde, doch ließ er die Frauen nichts davon merken.
Eben wurde ein sanfter Dreher angefangen.
»Willst’ den tanz’n, Martha?« frug er, jetzt wieder in das trauliche Du und den heimischen Dialekt zurückfallend, welches Beides er in Gegenwart des Buschwebels aufgegeben hatte.
»Wenn Dir’s recht ist, tanz’ ich gar net, Frieder! Ich hab’ keinen Wohlgefall’n hier dran und mag auch keinen Zank verschuld’n.«
»Das ist mir grad lieb, Martha. Ich tanz’ auch net an solchem Ort und darf Dir’s also noch viel wen’ger zutrau’n. Ich hab’ vollauf Genüg’ an unsrer Red’, die mich anmuthet, als ob ich zu Haus’ sei bei der Mutter.«
Die Bäuerin wollte dieses herzlich gemeinte Kompliment beantworten, doch erstarb ihr schon das erste Wort zwischen den Lippen. Vorn an der Thür war der restaurirte Feldwebel erschienen und hinter ihm der Feldbauer. Der Letztere hatte von dem Ersteren Alles erfahren, und nur die Wuth über das Gehörte konnte ihn bei dem Aussehen seines Gesichtes herbeigetrieben haben. Er warf einen schnellen Blick im Saal umher, ließ dann einen Tisch in die Ecke stellen, vier Stühle dazu und trat dann zu den Seinen.
»Steht auf und kommt herüber. Ich werd’ Euch lehr’n, mit Lump’n zu verkehr’n!«
Die Frauen blickten erschrocken auf Frieder. Dieser nickte ihnen unbefangen lächelnd zu.
»Ich muß verzicht’n auf die Gesellschaft, aber auf das Andre net, Martha. Brauchst’ Schutz, so bin ich da!«
»Der Schutz bin ich, Du Laff’; Du bist unnütz dazu; kein Mensch wird Dich gebrauch’n,« fuhr ihn der Bauer an, indem er den Arm der Tochter ergriff und diese über den Saal mehr stieß als führte. »Hier, Buschwebel, hast’ die Tänz’rin, und wir woll’n Den sehn, der ‘was dageg’n hat!«
»So tanz’ ich gleich jetzt auf der Stell’. Vorwärts, Madel, und aufgepaßt, Kam’rad’n! Wer stört, der fliegt hinaus!« erwiderte dieser, indem er Martha aus der Hand des Stiefvaters nahm und sie an die Spitze der Kolonne stellte, die zum Tanze bereit stand.
Ein halblautes Murren erhob sich unter den anwesenden Burschen, theils über die Behandlung des schönen Mädchen und theils darüber, daß der Webel sich nicht an den ihm zugehörigen hinteren Platz, sondern voran stellte. Martha warf einen bittenden Blick auf Frieder, der sich schnell erhoben hatte. Sie wollte lieber mit dem Verhaßten tanzen, als den Jüngling einer Gefahr aussetzen. Aber schon stand dieser in der Mitte des Saals und winkte der Musik Schweigen. Dann schritt er auf den Webel zu.
»Die Tänz’rin ist mein; ich hab sie engagirt. Bitt’, Martha, Deine Hand!«
Der Feldwebel hielt das Mädchen fest und zog sie einige Schritte zurück.
»Herbei, Soldat’n, es geht los!«
Frieder trat zurück und wandte sich an
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