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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kriechend, im Innern des Stollens.
    Frieder rührte sich nicht. Auch der Zweite, der Dritte und Vierte kam – dasselbe Berühren der angegebenen Stelle und dasselbe langsame Verschwinden. So ging es beinahe eine Stunde fort, vom Fünften bis zum Neunzehnten, und selbst als dieser in das Versteck gedrungen war, veränderte der Lauscher seine Lage nicht, denn das geringste Geräusch konnte seine Anwesenheit verrathen.
    Beinahe die gleiche Zeit wie vor acht Tagen mußte er warten, ehe die dunklen Männer der Erde wieder entstiegen. Hinter dem Letzten leuchtete auch heute der helle Schein für einen Augenblick und ließ die Linien des Viereckes, welches der Eingang bildete, mit großer Bestimmtheit erkennen; dann schloß sich derselbe, die Schritte verklangen, und es herrschte tiefe Stille ringsumher.
    Er wartete noch einige Zeit und stand dann schon im Begriff sich zu erheben, als das Rollen nochmals erklang. Augenblicklich senkte er sich in seine vorige Lage zurück und hielt das Auge auf den sich wieder öffnenden Eingang gerichtet. Ein Mann kroch hervor und stellte sich neben ihm auf. Er trug, wie Frieder deutlich sah, langes, dunkles Haupthaar, welches bis auf die Schultern niederhing, und einen eben solchen Vollbart, den die vorgebundene Maske nicht zu verhüllen vermochte. In seinem Gürtel blitzte neben einigen Pistolenläufen eine offene Messerklinge, und mit der rechten Faust hielt er den oberen Lauf einer kurzen Stutzbüchse umschlossen.
    Das war jedenfalls kein Anderer als der Waldkönig. Sollte Frieder ihn fassen? Sollte er ihn niederschießen? Ein Griff nach dem Revolver genügte dazu. Doch nein, sein ganzes Geheimniß mußte unverhüllt daliegen, ehe er ihn greifen wollte, und zwar mit der ganzen verbrecherischen Genossenschaft.
    »Es ist gut dunkel, das paßt, um mir den Spießer zu hol’n. Sie sind All’ bei der Schießhütt’ und ich kann sicher geh’n!« murmelte der Vermummte, indem er sich anschickte, die Senkung zu ersteigen.
    Als er fort war, richtete sich Frieder auf.
    »Ja, es ist der Feldbauer! Hätt’ ich net seine Stimm’ gehört, die er hier net verstellt’, weil er gemeint hat, allein zu sein, so hätt’ ich ihn gar nimmer erkannt, so gut war er verkleidet. Er geht wildern und kommt nach mehr Stund’n erst zurück, das ist gewiß. Jetzt bin ich ungestört und werd’ net wart’n bis früh, sondern den Stoll’n sofort untersuch’n. Er hat das Licht brennen lass’n; es schien hinter ihm her; sonst dürft ich’s net wag’n.«
    Er untersuchte nun den Verschluß mehr mit der Hand als mit dem Auge. Er bestand aus einem Steine, der jedenfalls auf Rollen ging, und war auf seiner Außenseite mit Moos bekleidet und über diesem von einer großblättrigen Pflanze bedeckt, welche es unmöglich machte, seine von der Umgebung gelösten Umrisse zu erkennen. Frieder versuchte, ihn nach Innen zu bewegen; es gelang ihm nicht trotz Anwendung aller seiner Kräfte. Daher erhob er sich wieder und prüfte die Stelle, nach welcher Alle, auch zuletzt der König selbst, so auffällig gelangt hatten. Es war eine aus der Erde stehende Wurzel, aber kalt und unbiegsam, jedenfalls, wie eine nähere Untersuchung ergab, aus Eisen künstlich nachgebildet und mit Naturfarbe überstrichen, so daß sie bei einer zufälligen Betrachtung nicht auffällig erschien.
    Frieder versuchte sie zu bewegen; es gelang. Sie war in Gestalt eines Drehlings geformt, welcher sich durch eine Verbindungsstange in das Innere fortsetzte und dort voraussichtlich in einer Vorrichtung endete, welche das Schließen und Oeffnen bewerkstelligte. Jedenfalls bestand diese nur aus einer korrespondirenden Stange oder Schiene aus Eisen, welche sich, je nachdem man die Wurzel drehte, vor den Stein legte oder sich von demselben zurückzog.
    Dies bekam Frieder erst nach vielem Probiren weg, dann stellte er die Wurzel, rollte den Stein nach Innen und kroch durch die jetzt entstandene Oeffnung, den Revolver in der Hand, in den Stollen.
    Eine wohlgefüllte Thonlampe brannte am Boden, doch war, so weit ihr Schein reichte, kein lebendes Wesen zu bemerken. Der furchtlose junge Mann brachte den Stein wieder in seine vorige Stellung und bemerkte auch die vermuthete Eisenstange, welche er vorschob, um den Verschluß zu bewerkstelligen. Dann nahm er die Lampe vom Boden auf und untersuchte den Stollen zunächst in der Richtung nach seiner verschütteten Mündung zu. Er fand nichts Bemerkenswerthes und ging wieder zurück. Am Eingange jetzt

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