Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
net wieder in den Wald?«
»Ja. Nur ein einzig Mal noch muß ich hinaus, um die Schling’ zusammenzuzieh’n, die ich bisher gelegt hab’. Dann ists genug.«
»Hast’ ihn schon d’rin, Frieder? Kann er auch net wieder heraus?«
»Nein; er steckt fest, so fest, daß ein Entrinnen unmöglich ist, und für mich ist net die geringst’ Gefahr mehr vorhand’n.«
»Darf ich’s auch glaub’n? Wir sind vor Sorg’ und Angst beinah’ vergangen, seit wir wiss’n, daß Du des Nachts hinausgehst, um den Waldkönig zu fangen.«
Martha hatte bisher dem Gespräch zugehört, ohne zu wiss’n, auf wen es sich bezog. Bei dem letztgenannten Namen aber fuhr sie erschrocken auf.
»Den Waldkönig willst’ fangen, Frieder?« frug sie erblassend.
»Ja.«
»O, thu das net, Frieder! Er ist fürchterlich und wird sich grausam rächen.«
»Recht hast’ mit dem fürchterlich, Martha, doch seine Rach’ fürcht’ ich net. Der Stachel dazu ist ihm genommen.«
»Wenn auch! Weißt’, was in der Bibel steht? ›Die Rache ist mein; ich will vergelt’n, spricht der Herr!‹ Ueberlaß ihn dem lieb’n Gott, den kann er net bethör’n und überwind’n!«
Da trat der alte Bachbauer zu ihr und tastete seine Hand auf ihre Schulter.
»Marthe, Du sprichst, wie ein Weib reden muß, dem ein weich und zart’ Gemüth gegeb’n ist, in das der Haß und die Feindschaft noch nimmer hinabgestieg’n sind. Aber blick um Dich her auf das Elend, das der König angerichtet hat, geh hinaus auf den Kirchhof, wo der Franz in der kalt’n Erd’ gebettet liegt, schau her auf mein Angesicht, und Du wirst anders denk’n. Weg’n meiner hat sich noch nie ein Wurm gekrümmt, mein Herz ist mild und sanft; aber es hat eine Stell’, die ist wie Erz und Stein; die hat der Waldkönig angegriff’n, und nun bleibt sie hart und starr, bis ich mit ihm quitt geworden bin. Der Frieder ist der Einzig’, den ich hab’, und seit ich weiß, daß er den Feind beschleicht, hab ich den Seelenkrampf, denn jeder Aug’nblick konnt’ mir die Kund’ bringen von seinem Untergang. Aber nun er so weit vorgeschritt’n ist, darf er nimmer wieder zurück; ich verbiet es ihm, und er will’s auch selber net. Wir hab’n ein Recht auf den Waldkönig, und das soll uns Niemand nehmen!«
»Gebt’s dennoch auf, Bachbauer, gieb’s auf, Frieder! Denn solch’ ein Recht kommt net von Gott!« bat sie mit unverkennbarer Angst in Stimme und Miene.
»Und dennoch kommt’s von ihm! Du hast vorhin den Spruch gesagt, Martha, aber seine Bedeutung kennst’ gar nimmer. Die Rach’ kommt von Gott; er wird vergelt’n; aber er steigt net vom Himmel herab, um mit der Faust dreinzuschlag’n, sondern er gebietet es uns, die Straf zu vollstreck’n. Ich hab seine Stimm’ gehört seit langer Zeit, aber ihr net Gehorsam leist’n können. Soll ich ihr jetzt widerstreb’n, wo ich die Macht hab’, Vergeltung auszuüb’n? Nein! Frieder, wirf mir den Waldkönig in diese beide Händ’, und ich will Dich segnen all mein Lebelang; keine Macht, kein Reichthum und keine Bitt’ soll ihn befrei’n, und wie er kein Erbarmen gehabt hat mit uns, so soll auch ihm sein Recht werd’n, voll und unverkürzt, wie er’s verdient!«
»Ist er wirklich in Deine Hand gegeb’n, Frieder?« frug das Mädchen.
»Ja; er kann mir net den geringst’n Widerstand leist’n, wenn ich ihn fass’n will.«
»Und kennst’ auch seinen Namen?«
»Auch den.«
»Wer ists, Frieder? O sag’s, ich bitt’ gar sehr!«
»Das kann ich heut noch net, doch morg’n vielleicht sollsts erfahr’n.«
»Aber gesehn hast’ ihn! Wie sieht er aus?«
»Stark und breit, im Gürtel Messer und Pistol’, das Gesicht voller Bart und die Larv’ obendrauf; er ist gar furchtbar anzuschaun.«
»Was hat er für Haar?«
»Es ist dunkel und geht bis auf die Achsel hernieder.«
Sie stieß einen Schrei aus, schlug die Hände vor das Gesicht und sank auf ihrem Sessel zusammen. Die Bäuerin eilte erschrocken herbei, und auch Frieder erfaßte bestürzt ihre Hände, um sie von dem Gesichte zu entfernen.
»Um Gotteswill’n, was gibts, was hast, Marthe?«
Sie ließ die Arme sinken und legte den Kopf schwer auf die Lehne des Stuhles. Ihr Busen ging hoch, ihre Lippen zuckten, und aus den halb geschlossenen Wimpern rollten zwei große, schwere Tropfen über die todesbleichen Wangen herab.
»Frieder!« klang es müde zwischen den Lippen hervor.
»Martha, sei stark; mach’ Dein Herz frei, und sag’, was Dir fehlt. Du wirst gern Trost und
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