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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schlich’ gekommen bist!«
    »Das werd’ ich thun; doch muß ich erst erfahr’n, wie Martha ihn erkannt hat. Magst’s sag’n, Martha?«
    »Es muß ja sein! Der Vater sagt’ heut, daß er gleich nach dem Nachttisch schlaf’n geh’, und ich nahm mir daher vor, Euch zu besuch’n. Ich wollt’ durch den Gart’n, weil da mein Gang vom Gesind’ net bemerkt werd’n kann. Ich ging daher ganz leis’ über den Hof und an der Brunnenstub’ vorüber. Es war Licht darin. Ich blickte hinein, und wen sah ich? Den Vater. Er glaubt’ uns all’ noch drin beim Ess’n und hielt sich darum sicher vor Verrath. Er hatt’ die hohen Stiefel an und einen Gürtel um den Leib, in dem es von Waff’n blitzte. Grad als ich an das Fenster trat, nahm er eine lange Perrück’ auf den Kopf und hing einen Bart um das Kinn. Dann band er die Larv’ vor das Gesicht und stieg in den Brunnen. Das ist’s, was ich bemerkt hab; es war genug für mich. Ich bin dabeigestand’n, als hätt’ mich der Blitz geschlag’n; die Bein’ sind mir gewes’n wie Blei, das Herz wie Stein und der Kopf wie Eisen, und als ich dann gegangen bin, so hab’ ich gewankt wie ein Trunkener, dem die Glieder net gehorchen mög’n.«
    »Du armes Wurm,« meinte mitleidsvoll die brave Bäurin; »drum warst’ so bleich und müd’, als Du herbeikamst!«
    »Der Mensch ist net den kleinen Finger seines Kindes werth!« stimmte der Blinde bei, dessen Blut schon in weniger hohen Wogen ging. »So hat er sein Versteck im Brunnen?«
    »Im Stoll’n, in den der Brunnen geht, Vater,« berichtigte Frieder. »Weißt, der Stoll’n beginnt unt’n an der Zech’, führt unter dem Feldhof vorbei und mündet im Wald. Der Feldbauer bringt die Güter aus der Stadt, läßt sie in den Schacht hinab und fährt sie auf dem Hund bis unter den Wald, wo die Niederlag’ ist. Die Pascher sind neunzehn Mann; sie steig’n da, wo der Gang net weit von der Mündung eingestürzt ist, hinab, empfangen die Waar’ und trag’n sie über die Grenz. Sie kennen blos den untern Theil des Stollens, und dort sind auch die Stuf’n, die Du hinabgestiegen bist.«
    »Warst’ denn darin?«
    »Ja; da die Martha den Waldkönig kennt, kann ich nun All’s erzähl’n!«
    Er begann seinen Bericht, den er in größter Ausführlichkeit erstattete. Mehr als einmal ergriff die Mutter oder auch Martha seine Hand, wenn seine Erzählung eine Gefahr berührte, in welcher er sich befunden hatte. Das Mädchen vergaß den Vater und ihr eigenes Unglück und dachte nur an das fürchterliche Wagniß, welches dem unerschrockenen Jüngling mehr als die Freiheit und Leben hätte kosten können. Die Bäuerin hatte ganz die gleichen Empfindungen, und der Bauer saß da, scheinbar kalt und ruhig, während er doch jedes Wort des Erzählers verschlang und ein über das andre Mal tief aufathmete vor Erwartung des Kommenden oder vor Stolz, einen Sohn zu besitzen, welche der alten Tradition des Bachhofes solche Ehre machte.
    Als dieser geendet hatte, herrschte eine ganze Weile tiefes Schweigen in der Stube. Der Vater war der Erste, welcher es brach.
    »’Hast Recht gehabt, Frieder! Die Schling’ ist gelegt; er kann uns net entgehn. Nur noch einmal mußt’ hinaus und ich geh’ mit, es ist keine Gefahr dabei, und bei dem Fang muß ich zugeg’n sein. Kann ich auch nix sehn, so kann ichs doch hör’n, wie er sich krümmt und windet, und dann will ich vor ihn hintret’n und ihm den letzt’n Stoß versetz’n, der ihn gefangen gibt. Gleich morg’n früh machst’ die Anzeig’ beim Feldwebel; der mag’s dem Offizier bericht’n, und dann kann der Tanz beginnen.«
    »Gnade!« flehte Martha. »Habt Erbarmen mit mir und der Mutter. Wenn Ihr ihn fangt, wird sie die Schand’ net überleb’n! Ich will Euch dankbar sein so lang ich leb’; ich will zu Euch ziehn und Eure Magd werd’n, die Geringst’ in Eurem Dienst, will Euch Alles am Aug’ absehn und Euch auf den Händen trag’n so gut ich kann und vermag!«
    »Gnade? Hat er Gnad’ mit mir gehabt oder Erbarmen? Die geg’n ihn wär ein Verbrech’n, das uns an seiner Schuld theilnehmen ließ. Was geht Dich und die Mutter der Waldkönig an! Dem Feldbauer will ich um Deinetwill’n und Ihretweg’n all’ den Haß vergeb’n, den er auf mich geworf’n hat; aber der Waldkönig ist Euch fremd, und seine Sünd’ steigt hoch zum Himmel empor, sie schreit um Vergeltung wie das Blut Abels, und kann nimmer gesühnt und vergeben werden. Das ganze Dorf weiß, wie Ihr mit dem Feldbauer

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