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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Lauf der Pistole über die Achsel hinweg auf Frieder; dieser riß den drohenden Arm zurück; der Schuß krachte, die Kugel flog hart am Gesichte des Waldkönigs vorüber, und der Blitz des Pulvers zuckte ihm in das Auge. Einen fürchterlichen Schmerzensschrei ausstoßend, vereinigte er seine ganzen Kräfte zu einem gewaltigen Rucke. Der Hagere preßte in diesem Augenblicke Friedern, dieser mußte sich gegen ihn wenden, der Feldbauer kam frei und stürzte sich, halb geblendet, mitten unter die Gegner hinein. Der gewaltige Anprall warf diese auseinander; er erreichte die offenstehende Wand und schnellte dem Stollen entlang dem Brunnen zu. Frieder erhob die Faust. Mit einem einzigen Schlage derselben schmetterte er den Hageren zu Boden und sprang dem Waldkönig nach. Dieser hörte die Schritte hinter sich; zum Aufgang durch den Brunnen blieb ihm keine Zeit übrig. Er eilte weiter, riß die Fahrt von der Erde auf, zerrte sie zum Schachte und hob sie ein.
    »Steh’, Waldkönig; der Frieder kommt!« donnerte es hinter ihm.
    »Schau, ob Du mich bekommst, Hallunk’!« antwortete er.
    Er schwang sich in das Mundloch. Der Schreck der Ueberraschung, die Angst vor dem Verfolger, der Schmerz in den geblendeten Augen und die Heftigkeit der Flucht verwirrten ihn. Sein Fuß glitt von der Sprosse, seine Hände griffen fehl; mit einem fürchterlichen Schrei stürzte er in den Schlund hinab. Frieder vernahm den Schrei und das polternde, dumpfe Geräusch des Falles; er hatte hier Nichts mehr zu thun und eilte zurück. Die Pascher hatten die Gefährlichkeit und Nutzlosigkeit eines jeden Widerstandes erkannt und sich ergeben. Man war eben daran, sie zu binden. Der Hagere, welcher sich wieder emporgerafft hatte, sträubte sich dagegen.
    »Ich appellir’ geg’n diese Behandlung. Ich gehör’ net zu diesem Volk’, sondern bin unschuldig hereingebracht word’n.«
    »Versuchen Sie keine Vertheidigung, sie nützt Ihnen Nichts!« gab der Amtshauptmann zur Antwort. »Wir waren ungesehene Zeugen Ihrer Verhandlung mit dem Feldbauer. Der neue Waldkönig darf nicht auf Nachsicht rechnen, und Ihre Bücher werden uns wohl vollständig rechtfertigen!«
    »Wo ist der Feldbauer?« rief der Lieutenant, welcher die Fesselung der Gefangenen überwachte, Friedern entgegen.
    »In den Schacht gestürzt. Das Gericht hat ihn ereilt. Er hat sich selber geblendet und liegt zerschellt da unt’n, wo er die Frau’n hinabgezwungen hat.«
    Die Bande des Feldwebels wurden beseitigt. Frieder war so rücksichtsvoll gewesen, den Entschluß seines früheren Gegners, in den Dienst des Waldkönigs zu treten, zu verschweigen. Die Pascher wand man einzeln durch den Brunnen empor; sie wurden sofort unter Militärbegleitung an das Gerichtsamt abgeliefert. Der Amtshauptmann blieb mit dem Assessor zurück, um seinen Pflichten volle Genüge zu thun.
    Die Nachricht von dem Geschehenen brachte eine ungeheuere Aufregung im Dorfe hervor. Trotz der späten Stunde versammelte sich Alt und Jung, Groß und Klein auf der Gemeindewiese, um die Gefangenen abziehen zu sehen. Die Nachricht, wer der Waldkönig gewesen sei, steigerte die bisher gegen den Feldbauer gerichtete unfreundliche Gesinnung mit einem Male zum vollsten Grimme, und hätte er sich bei den Gefangenen befunden, er wäre sicherlich gelyncht worden. Ganz anders allerdings klang es, als Frieder aus dem Feldhof trat, um sich nach Hause zu begeben. Er war der große Held des Ereignisses und wurde beinahe auf den Händen nach dem Bachgute getragen.
    »Endlich bist’ wieder da!« empfing ihn der Vater. »Das war eine entsetzliche Ewigkeit, seit Du fortgegangen bist. Drauß’n hat der Lärm gewährt schon über eine Stund’, und ich seh’ nix, ich weiß nix und möcht’ doch vor Erwartung und Angst um Dich an der Wand emporlauf’n! Wie ist’s ‘gangen?«
    »Gut. Net ein Tropf’n Blut ist gefloss’n, und wir hab’n sie All’ bekommen. Hört!«
    Er stattete den lauschenden Eltern seinen Bericht ab.
    »Hätt’ ich nur eine Viertelstund’ zu seh’n vermocht,« rief der Blinde am Schlusse desselben, »ich gäb fünf Jahr’ vom Leb’n dafür hin. So aber muß ich All’s versäumen, worauf meine Sehnsucht ging so lange Zeit. Doch Eins muß ich hab’n! Wo liegt der Waldkönig?«
    »Im Feldhof. Man hat ihn heraufgeschafft; er ist zerschellt und zertrümmert, daß man sich vor ihm graut.«
    »So führst’ mich hin zu ihm. Die Rach’ ist zu End’, aber meine Hand muß es fühl’n, ob’s auch wahr ist. Dann will

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