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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Letzteren wurde in genauen Augenschein genommen. Dann kehrte man zurück und stieg auch in den zweiten Schacht hinab, um zu sehen, ob sich auch dort unten vielleicht etwas Bemerkenswerthes finden lasse. Es zeigten sich mehrere Gänge, die alle außer einem vor Ort abgebrochen waren. Dieser Eine wurde verfolgt. Die verhältnißmäßig gute Luft, welche sich in demselben befand, ließ vermuthen, daß er auf irgend eine Weise mit der Oberwelt in Verbindung stehe. Er war sehr alt und theilweise ziemlich verfallen, immer aber noch gangbar und mündete, wie sich endlich nach langer, mühevoller Wanderung zeigte, mitten in die senkrecht abfallende, verwitterte und vielfach zerklüftete Hinterwand eines alten, längst verfallenen Steinbruches. Hier hatte der Waldkönig ein Zeichen seiner Anwesenheit zurückgelassen: ein eiserner Haken war in den Stein geschlagen und an diesem eine Strickleiter befestigt, welche zusammengerollt am Boden lag, jedenfalls aber lang genug war, um bis auf die Sohle des Steinbruches hinzureichen.
    »Wohl nur für den Fall der Flucht angebracht, wenn diese oben nicht mehr möglich sein sollte,« meinte der Amtshauptmann. »Kennen Sie den Bruch?«
    »Ja,« antwortete Frieder. »Er liegt mitt’n im Forst, und es können Jahr’ vergehn, eh’ ein Mensch dahin kommt. Die Entdeckung ist ganz gut, und ich mein’, daß es gerath’ner sei, hier aufzusteig’n, als drob’n im Schacht einzufahr’n; der Einschlich ist hier viel leichter als dort.«
    Dem stimmten die Uebrigen bei, und es wurde beschlossen, den Angriff von hier statt von der Zeche aus zu unternehmen. –
    Es war gegen Abend, als der Wagen des Feldbauers von der Straße nach dem Hofe einbog. Einer der Knechte hatte ihn bemerkt und eilte herbei, um die Pferde in Empfang zu nehmen.
    »Ist ‘was passirt?«
    »Nein; All’s in Ordnung!«
    »Also gar nix Neu’s?«
    »Im Hof’ net, aber im Dorf. Das Militär zieht ab.«
    »Warum?« klang überrascht die Frage.
    »Sie müss’n zum Manöver ins Niederland und kommen erst in vierzehn Tagen wieder. Der Lieut’nant ist schon da aus Steinertsgrün mit seinen Leut’n, um die hies’ge Trupp’ abzuhol’n; dann geht’s nach der Stadt, um mit dem Nachtzug abzufahr’n.«
    »Ohne den Waldkönig!« lachte der Bauer mit einem verständnißvollen Blick auf den langen, hagern Herrn, der mit ihm ausgestiegen war. »Schau, da kommen sie wirklich schon!«
    Einen Tambour voran, welcher kräftig auf dem Kalbfelle wirbelte, marschirte das kleine Detachement, vom Lieutenant kommandirt, aus dem Dorfe hervor, begleitet von einer Anzahl leidtragender Dorfjungen, welche den so plötzlichen Abschied der blanken Heldensöhne nicht gut verwinden konnten.
    »Sie wollt’n Einen hol’n, hab’n aber statt dess’n Einen da gelass’n!« kicherte der Hagere. »Deine Sorg’ war ganz ohn’ allen Grund!«
    »Das denkst’ blos! Aufgeschob’n ist net aufgehob’n. Wir sind auf vierzehn Tag’ sicher, und das auch nur vielleicht, dann aber geht die Hetz’ wieder los. Es bleibt dabei, ich mach’ mich davon!«
    »Die Bäu’rin mit der Tochter ist wohl net dabei?« erkundigte sich der wieder herbeitretende Knecht.
    »Geht’s Dich ‘was an? Thu’ Deine Sach’, und bekümm’re Dich net um ungelegte Eier!«
    Sie traten ein, saßen lange in leise geführtem, angelegentlichem Gespräch bei einander und benutzten dann einen unbewachten Augenblick, um nach der Brunnenstube zu gehen. Von hier aus ließen sie sich in den Stollen hinab, in welchen der Bauer unverweilt hineinschritt.
    »Willst’ net erst nach den Weibern sehn?«
    »Fällt mir net ein. Morg’n gehts fort; da hol’ ich sie herauf, jetzt aber hab’ ich keine Zeit, auf ihr Lamentir’n zu acht’n!«
    In der Niederlage angekommen, öffnete er den Schrank und zog die Bücher hervor, welche von dem Andern einer sehr sorgfältigen Prüfung unterworfen wurden, wobei sie nicht bemerken konnten, daß einige hundert Schritte von ihnen entfernt bewaffnete Gestalten dem untern Schachte entstiegen.
    Frieder befand sich an ihrer Spitze. Er war gleich zurückgeblieben und hatte ihnen jetzt die Strickleiter zugeworfen. Auf diese Weise war er auch allen Erörterungen entgangen, welche ihm zu Hause bevorgestanden hätten. Vielleicht hätte der Vater trotz seiner Blindheit gar gewünscht, bei der Affaire gegenwärtig zu sein, ein Verlangen, dem er auf keine andere Weise besser auszuweichen vermocht hätte.
    Jetzt war sowohl die Zeche als auch der Einsturztrichter von

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