Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
fragte Ferdinand. »Das kann Dein Ernst nicht sein! Ich wollte gar hinaus auf die Wanderschaft damals, denn ich hatte die Bertha lieb, und Du warst kurz vorher krank geworden; es lag Dir in den Füßen, so daß Du in der Mühle nicht gut vorwärts konntest. Du aber triebst mich fort, und wenn ich mich einmal nach Haus’ sehnte, so schriebst Du mir, daß ich bleiben sollte. Jetzt sehe ich, daß es schlimmer geworden ist mit Dir, viel, viel schlimmer; Du kannst gar nicht mehr auf, und da sollte ich doch meinen, daß ich Dir willkommen bin!«
»Das bist Du auch, aber nur nicht jetzt, nur nicht gleich heut’. Du wirst schon noch vernehmen, warum. Thu’ mir daher den Gefallen und bleib’ noch eine Woche, nur ein paar Tage weg von hier! Du wirst dann etwas erfahren, was Dir große Freude bereitet. Geh’,« rief er fast ängstlich, indem sein Auge forschend nach dem Dorfwege blickte: »geh’ gleich, geh’ auf der Stelle; Du bist mir jetzt im Weg!«
Der Sohn war dem Blicke des Vaters gefolgt. Ein Mann kam langsam und in gebeugter Haltung bergauf gestiegen. Das konnte doch unmöglich der Niedermüller sein?!
»Das ist doch geradezu fortgejagt, Vater! Wenn Du mich wirklich nicht daheim leiden magst, so will ich wieder geh’n; aber die Ruhe und ein Weniges zu essen wirst Du mir doch nicht versagen!«
»So geh’ schnell hinauf in Deine Kammer, und komm’ nicht eher wieder herab, als bis ich Dich ruf’. Der Hans wird Dir schon bringen, was Du brauchst. Mach’ fort, sonst ist’s zu spät!«
Ferdinand folgte dem Gebote und trat in das Haus. Er fühlte sich tief verletzt von dem so unerwarteten Empfange, der ihm ebenso wie das veränderte und unbegreifliche Wesen des Vaters ein vollständiges Räthsel war. Der Letztere war wieder in sich zusammengesunken und lag so hinfällig auf dem Stuhle, als sei er nahe daran, seinen Qualen zu erliegen. Der Knecht war jetzt mit der Arbeit fertig; er hatte weder das Kommen des jungen Mannes, noch dessen Unterredung mit dem Müller bemerkt. Er trat herbei und fragte besorgt:
»Ist’s wieder schlimmer geworden? Da unten kommt der Niedermüller. Wollt Ihr hier vor dem Haus mit ihm reden, oder soll ich Euch hinein in die Stube fahren?«
»In die Stube!« antwortete der Gefragte mit Anstrengung. »Der Ferdinand ist da. Geh’ nachher hinauf zu ihm und laß ihn nicht herunter!«
Kaum befand sich Klaus in der Stube, welche Hans gleich wieder verlassen hatte, so trat Horn, der Niedermüller, ein. Er grüßte freundschaftlich und reichte dem Kranken die Hand.
»Da bin ich schon wieder. Wie geht es mit der Gesundheit?«
»Wie immer; es will nicht besser werden.«
»So brauch’ doch endlich einmal die Einhüllung in nasse Birkenblätter, die ich Dir schon tausendmal gerathen hab’. Sie treiben den Schweiß gewaltig, und mit ihm geht die Gicht aus dem Leib.«
»Hilft auch nichts! Ich weiß schon, was ich thun werd’.«
»Ich rath’ Dir nicht dazu. Du willst katholisch werden und nach Mariahilf wallfahrten, weil Du meinst, das Paternoster und Ave macht Dich gesund. Bedenke, was Du thust. Das Heil der Seele steht höher, als die Gesundheit des Körpers, und wem der liebe Gott helfen will, dem hilft er durch den Arzt!«
»Geh’ weg mit den Pillen und Pulvern; sie haben mich erst krank gemacht! Ich hab’ geträumt, daß ich beim wunderthätigen Marienbild ganz Besserung find’, und übermorgen geht es fort.«
»Thu’ was Du willst; ich hab’ Dir als Dein bester Freund gerathen. Du weißt, was sie im Dorf von Deiner Wallfahrt denken!«
»Das ist mir gleich! Sie sind mir all’ zu dumm und auch zu klein.«
Der Niedermüller warf einen raschen, fragenden Blick auf den Sprecher.
»So bist Du wohl gescheider und größer als sie?« fragte er, indem sein Auge unwillkürlich über die ärmliche Einrichtung der niedrigen und verräucherten Stube glitt.
»Möglich! Wer es nicht glaubt, wird’s vielleicht bald erfahren!« Unter den halbgeöffneten Lidern funkelte es so lebendig und schlau, und die leidenden Züge nahmen einen so selbstbewußten Ausdruck an, wie Beides Horn noch nie an ihm beobachtet hatte.
»Dann ist es wohl nicht Zufall, sondern Klugheit gewesen, daß Du in der fremden Lotterie gewonnen hast? Wenn Du so reich bist, warum hast Du mir nicht eher geholfen, als heut’, wo es die allerhöchste Zeit für mich ist?«
»Weil Du auch Einer von den Dummen bist, vielleicht der Dümmste von Allen, und weil ich auf diese Zeit und auf Dich gewartet hab’ wie das Kind auf
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