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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich seiner gedenk’n als eines Todt’n, dem man verzeiht um der Seinen will’n.«
    Frieder suchte nun Martha auf. Sie befand sich bei der Mutter und sprang bei seinem Erscheinen empor, um sich an seine Brust zu werfen.
    »Gott sei Dank, daß Du lebst! O, was hab’ ich erlitt’n, seit Du fort bist! Ich hab’ Dich net anders gesehn als todt, gemordet vom – von Dem, den Du fangen willst.«
    Sie blickte mit unbeschreiblicher Liebe in sein Auge und schmiegte sich an ihn, als ob sie ihn Jahrzehnte lang vermißt hätte. Die Kranke richtete sich langsam empor.
    »Ist’s vorüber, Frieder?«
    »Ja. Besser als zu vermuth’n war. Er wird net mit Verhör und Gefangenschaft gemartert werd’n – er ist todt.«
    Daß der Oheim mitergriffen sei, verschwieg er ihr jetzt noch. Sie legte sich zurück und faltete die Hände.
    »Was Gott thut, das ist wohlgethan, so will ich denk’n und mich von nun an nur an Eurem Glück erfreuen!« – – –
    Das Militärkommando verließ, dieses Mal nicht blos zum Scheine, nach einigen Tagen die Gegend. Viele Familien geriethen ins Elend dadurch, daß ihr Ernährer ein Mitglied der Schmugglerbande gewesen war, gegen welche eine außerordentlich komplizirte und langwierige Untersuchung eingeleitet wurde, die mit der Verurtheilung aller Betheiligten endete.
    Der Feldhof steht noch; er ist in fremde Hände übergegangen. Die unterirdischen Gänge wurden verschüttet, der Brunnen ausgefüllt und jede Spur von der dunklen Residenz des Waldkönigs vernichtet; aber sein Andenken bleibt an dem Hofe haften und wird niemals von ihm zu trennen sein.
    Wer heute den Bachhof besucht, darf versichert sein, alle Zeichen eines reichen Glückes vorzufinden. Der Goliath lebt noch als ein rüstiger Greis, den der Verlust des Augenlichtes nicht hindert, fröhlich mit den Fröhlichen zu sein. Auch die Bäuerin ist noch derselbe milde, freundliche Charakter wie früher, und ihrem Einflusse ist es zum größten Theile zuzuschreiben, daß Martha’s Mutter die Tage des schwersten Leides glücklich überstanden hat. Frieder ist der respektabelste und angesehenste Bauer der Umgegend und seine Frau ein Engel für jeden Hilfsbedürftigen. Das kleine Töchterchen, welches an ihrer Hand durch das Gras des Gartens zappelt, ist bis auf die großen, blauen Augen ganz ihr Ebenbild, und der Junge, welcher auf dem Baume sitzend, Beide mit Kirschen bombardirt, giebt alle Hoffnung, daß das Geschlecht der Riesen vom Bachhofe auch ferner gedeihen werde.
    Der Buschwebel hat den Abschied nehmen müssen und ist mit seinem Erbtheile nach Amerika gegangen. Niemand weiß etwas Näheres über ihn, sein Scheiden hat kein armes Herz gebrochen. –

Der Gichtmüller
Originalerzählung aus dem Erzgebirge von Karl May
I.
    »Horch, wie die Tannen rauschen und das Strauchwerk so lind und heimlich flüstert! Da unten im Grunde hör’ ich den Bach vom Felsen springen; er kennt noch immer das alte Lied, welches er mir so oft vorgesungen hat. Der Specht klopft an die hohen Stämme, um sich sein Frühstück zu suchen, und der Fink schlägt in den Wipfeln. Da drüben vom Schlag her ertönt die Axt der Abholzer, und in der Tiefe knarrt der Wagen, der Moos und Streu nach Haus’ bringt. Das sind Stimmen und Töne, die man nimmer vergißt im fremden Lande und die alles Heimweh heilen, sobald man sie wieder vernimmt. Wie freundlich fließt und klettert das Licht um die Zweige, und wie wohlig dringt der Athem in die Brust! Daheim ist’s doch am schönsten; ich komm’ nie wieder fort!«
    Der, welcher mit glücklichem Ausdrucke im Gesichte diese Worte vor sich hin sprach, war ein junger Mann, dem der umfangreiche Ranzen auf dem Rücken und der derbe Knotenstock in der Hand nicht schwer zu fallen schien. Er strich langsam den schmalen Waldweg dahin, welcher hinunter zu den Mühlen und von da weiter nach dem Dorfe führte, und schien wenig Eile zu haben, denn er hemmte sehr oft den zögernden Schritt, um jeden neuen Ausblick, den eine Krümmung des Pfades ihm bot, bedachtsam zu genießen. Unten am Wasser angekommen, bog er sich nieder und schöpfte mit der Hand von dem klaren, kühlen Naß, von dem er durstig schlürfte.
    »Ja, das ist ein Trunk, wie man ihn nur auf den Bergen haben kann; er giebt Gesundheit und Kraft und macht so froh und munter, wie der Quell ist, der ihn spendet. Ich bin fast träg’ geworden von dem schweren Wasser, das sich so trübselig und langsam durch das Unterland schleicht. Hier hüpft und springt und schießt es

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