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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gerecht, daß nun auch die Deinige nicht vernommen wird. Der Handel zwischen dem Ferdinand und Deiner Zierpupp’ ist nun zu End’; Du wirst als Bettler aus dem Haus getrieben und kannst nun an dem Armuthsbach die neue Elendsmühl’ bau’n. Geh’ fort und mach’ daheim, wo Du am längsten Herr gewesen bist, das Thor so weit wie möglich auf, denn Klaus, der Obermüller, wird bald kommen! Er ist zwar krank und hat Jahre lang die Obermühl’ nicht verlassen können, aber wenn auf der Niedermühl’ Subhaste ist, so muß er dabei sein und sollte ihn der Gichtschmerz gleich zu Tode reißen.«
    »Ja, ich geh’ fort; bei so einem Verräther mag mich’s nicht eine Minute länger leiden. Eins aber will ich Dir vorher noch sagen: dies graue Haar hier hat der ›Marder‹ auf seinem Gewissen; er wird gewißlich noch auf seinem Schliche ergriffen werden, und sollt’ ich das nicht erleben, so trägst Du die Schuld, daß ich zur Grube fahr’. Schwör’ Deinen Glauben ab; die Straf’ wird auch Dich zertreten, so wie Du ihn zertrittst!«
    Er ging. Klaus sah ihm mit höhnischem, giftigem Blicke nach und nahm dann in seinem Räderstuhle mit einer Bewegung Platz, die für einen Gichtkranken mindestens sehr unvorsichtig zu nennen war.
II.
    Es war am Spätnachmittage und fast dunkel, als Ferdinand erwachte. Er fühlte sich in Schweiß gebadet; ein fürchterlicher Traum hatte ihn auf dem Lager hin und her geworfen und die Angsttropfen aus allen seinen Poren gepreßt. Er konnte sich der Einzelheiten desselben nicht mehr erinnern; er wußte nur, daß er von einem Ungeheuer bedroht worden war, welches in dem Augenblicke, als er sich auf dasselbe stürzen wollte, die Gestalt und Gesichtszüge seines Vaters angenommen hatte.
    Er war aus Sehnsucht nach der Heimath die ganze Nacht gegangen und hatte gleich nach dem Frühstücke, welches ihm von Hans aufgetragen worden war, für kurze Zeit lang ruhen wollen, war aber dabei einem Schlafe in die Arme gesunken, der ihn erst jetzt wieder frei gab. Der böse Traum war jedenfalls eine ganz natürliche Folge von dem ebenso sonderbaren wie auffälligen Empfange, den der heimgekehrte Sohn bei dem Vater gefunden hatte, aber der Volksmund sagt, daß die Seele zuweilen im Traume Zeit und Raum zu überwinden vermöge, und Ferdinand stand diesem Glauben nicht so fern, daß er den Eindruck der wirren und wüsten Vorstellungen im Momente des Erwachens sofort hätte von sich werfen können.
    Er trat an das Fenster und sah in die tiefe Dämmerung hinaus. Das Grummet lag noch in denselben Schwaden vor dem Hause, in denen er es am Vormittage hatte liegen sehen. Warum war es nicht gewendet worden? Unter der Einfahrt stand der mit Getreide beladene Wagen, den er gleich bei der Ankunft bemerkt hatte. Warum war keiner der Säcke angerührt worden; warum ging die Mühle nicht? Er öffnete das Fenster und horchte einige Minuten lang hinab; dann schritt er zur Thür, um nach der Ursache der tiefen Stille, welche im Hause herrschte, zu forschen. Sie war von außen verschlossen, und ein Druck gegen sie bewies, daß man sogar die Vorsicht gebraucht hatte, das Oeffnen durch angestemmte Stützen zu erschweren.
    Er fuhr bestürzt zurück. Welchen Grund hatte diese unerwartete und seltsame Gefangenhaltung? Stand sie vielleicht in Verbindung mit der heutigen Anwesenheit des Niedermüllers, bei dessen Kommen es so ängstlich geklungen hatte: »Geh’ fort, sonst ist’s zu spät!«? Er kannte besser als Andere den Vater und hatte sich wohl gedacht, daß dieser irgend etwas im Werke habe, bei dessen Ausführung er von dem Sohne verhindert zu werden befürchte. Konnte dies etwas Gutes sein? Es ist ein großes, vielleicht das größte Unglück für ein Kind, andere Rechtsbegriffe als sein Erzeuger zu besitzen. Ferdinand fühlte dies mehr, als er es aus eigener Erfahrung erkannt hatte; der Obermüller war stets ein schweigsamer und zurückhaltender Vater gewesen, hatte es aber auch nie verstanden oder gewollt, sich das kindliche Vertrauen, welches sich so gern und willig in die Anschauungen der Eltern einlebt, zu erwerben. Er hatte sich trotz seines hilfsbedürftigen Zustandes die Rückkehr des Sohnes bisher streng verbeten und war heut’ über dieselbe sichtlich erschrocken. Dieses unerklärliche Verhalten mußte eine geheimgehaltene Ursache haben. Der junge Mann gab sich nicht die Mühe, über sie nachzudenken; der Befehl, sofort und wenigstens für einige Tage die Heimath wieder zu verlassen, ließ ihn ahnen, daß es

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