Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
herbeikriechenden Müller die Hand zum Willkommen bot.
»Ihr habt heut’ gute Zeit gehabt, Obermüller; ich aber bin mit Seufzern gespeist und mit Klagen getränkt worden, so daß es mir ganz elend und jämmerlich im Magen ist. Habt Ihr nicht einen guten Trunk bei der Hand, der Einen curiren kann? Bei uns in der Niedermühl’ ist’s zu End’ damit!«
»Erst kommt das Geschäft und dann der Lohn. Wie steht’s mit dem Geld?«
»Ich hab’ aufgepaßt wie ein Himmelslauscher, der wissen will, wohin die Sternschnupp’ fallen wird, und bin endlich auch richtig dahinter gekommen.«
»Nun?«
»Ja, wie steht es denn eigentlich mit dem Papier von wegen der Obermühl’? Wir haben doch so gehandelt, daß ich Euch den Aufpasser mach’ und dafür die Obermühl’ erhalt’, sobald die Niedermühl’ Euer geworden ist. Noch gestern bin ich hier gewesen, und Ihr habt gesagt, daß Ihr es mir geben wollt, sobald wir das Geld haben, welches der Niedermüller vielleicht herausbekommt.«
»Das ist Alles richtig, und ich werd’ auch Wort halten, denn Du hast Deine Sach’ sehr gut gemacht und mir so viel treffliche Nachricht gebracht, daß ich oft geglaubt hab’, Du seiest allwissend. Aber jetzt ist das Geld doch noch nicht unser! Ich hab’ das Papier ganz fertig geschrieben und werd’ es nachher mitbringen. Sobald der Kasten beim Niedermüller leer ist, geb’ ich Dir’s in die Hand, aber keinen Augenblick eher, das kannst Du nicht von mir verlangen. Und aus Vorsicht sagen wir einstweilen, daß Du die Obermühl’ bloß gepachtet hast. Also wo ist das Geld zu finden?«
»In der kleinen Stub’, wo der Müller jetzt schläft, da liegt es in dem kleinen Wandschrank, der nicht weit vom Fenster ist. Aber den Schlüssel dazu hat er in der Tasch’, und der Laden ist von innen fest verschlossen.«
»Da ist die Sach’ nicht leicht für mich! Schläft das Weibsvolk mit in der Stub’?«
»Nein, die sind vorn heraus. Die Müllerin liegt krank auf dem Kanapee, und die Bertha will nicht weg von ihr.«
»So wird sich’s doch vielleicht noch machen lassen. Hör’, was ich Dir sag’! Du gehst jetzt nach Haus; ich komm’ in kurzer Zeit nach und bring’ den Dietrich und die Strickleiter mit, auf welcher ich alle Mal in Deine Giebelkammer gelangt bin. Wir müssen den Müller aus seiner Stub’ herauslocken. Sobald ich oben bei Dir bin, gehst Du hinunter und sagst, Du hättest Jemanden um das Haus schleichen sehen. Er wird herausgehen, und dann eil’ ich schnell hinab, um das Geld zu nehmen. Ich bin bestimmt fertig, ehe er wiederkehrt, und dann treffen wir uns wieder in Deiner Kammer, wo Du das Papier erhältst. Er schaut sicher nicht gleich in den Schrank hinein, und wenn er es auch thut, so wird er zuerst im Haus nach mir suchen, und dann kann ich ja ganz ungestört auf der Leiter davon. Hast Du Alles vernommen?«
»Ja. Es ist der einzige Weg, den es giebt. Aber nehmt Euch nur hübsch in Acht, daß wir zu guter Letzt nicht gar noch ein Unglück erleben! Ihr dürft nicht eher an die Mühl’ kommen, als bis ich das Licht ganz nah’ an das Fenster setz’. Dann ist die Luft rein, und ich laß die Schnur herab, um die Leiter hinauf zu ziehen. Jetzt will ich geh’n; laßt mich nicht lange warten!«
Als er fort war, kehrte Klaus in die Schlafstube zurück und nahm das Leinen-und Federzeug aus der Bettstelle. Unter dem Strohsacke befand sich ein Doppelboden, welcher alle nothwendigen Diebeswerkzeuge enthielt.
»Heut’ brauch’ ich bloß die Strickleiter, die Latern’ und den Dietrich. Aber halt, den Todtschläger nehm’ ich noch mit dazu; ich werd’ ihn wohl auch gebrauchen können, denn der Lebrecht, der Dummkopf, darf nicht denken, daß er die Obermühl’ bekommt. Er muß den Mund halten und zufrieden sein, wenn Niemand erfährt, daß er mir beigestanden hat. Wenn ich das Geld hab’ und er verlangt das Papier, geb’ ich ihm Eins auf den Kopf und mach’ mich davon!«
Er brachte die angegebenen Gegenstände in die »Räuberhöhle«, wie er den verborgenen Raum genannt hatte, wechselte die Kleidung und stieg nach dem Damme empor. Noch war er damit beschäftigt, den Deckel auf die Oeffnung zu bringen, als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte. Im Nu hatte er sich umgedreht und erhob den Schläger; aber ebenso schnell war auch seine Hand gepackt und festgehalten.
»Vater, willst Du Deinen Sohn erschlagen?!«
»Wer – wer ist’s? Du bist’s? Wie kommst Du hier her und was willst Du da?«
»Den ›Marder‹
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