Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
daß Ihr sie versteigert habt?«
»Weil ich von dem ›Geldmarder‹ ruinirt worden bin. Doch geh’ hinaus! Dein Alter hat mich heut’ aus seiner Stub’ gejagt, so brauch’ ich nun auch Dich nicht hier zu dulden!«
»Nein, ich geh’ nicht eher von dannen, als bis ich Alles weiß. Ihr habt ja früher immer viel auf mich gehalten; ich begreif’ von Allem nichts und bitt’ Euch sehr, mir wenigstens nicht eher bös’ zu sein, als bis Ihr seht, daß ich Euch übel will!«
»Das klingt gar schön und vernünftig, und es ist auch wahr, daß ich Dir und Deinem gichtbrüchigen Verräther immer wohl gewogen war, aber desto schlechter ist ja das von ihm, was er an mir gethan hat, viel schlechter und schlimmer, als wenn er mich gleich lieber ganz erschlagen hätt’!«
»Dann seid so gut und sagt mir’s doch. Vielleicht vermag ich’s wieder gut zu machen!«
»Nein, diese Schart’ ist nimmer auszuwetzen! Du hast mich gekannt und weißt, was ich früher für ein starker und rüstiger Mann gewesen bin; ich war so gesund und kraftvoll, daß ich hätt’ mit Kirchthürmen hausiren können. Nun schau’ mich jetzt einmal an! Das Haar ist mir schneeweiß geworden; das Gesicht hat Falt’ an Falt’ und auch die Knochensicht bekommen; ich kann nicht grad’ mehr steh’n, und was ich angreif’, das möcht’ ich vor Schwäch’ und Unvermögen gleich wieder aus der Hand fortthun. Das hab’ ich dem ›Marder‹ zu verdanken, der mich langsam abgekerkert hat, bis die Subhaste über mich hereingebrochen ist.«
»Dem ›Marder‹? Wer ist das?« fragte Ferdinand, das Wort jetzt zum zweiten Male hörend. Er dachte an die Kalender und an die Zahlen, bei denen es gestanden hatte.
»Auch das weißt Du nicht? Es ist ein Spitzbub’, der nun seit Jahren hier und in der Gegend einbricht, ohne daß man weiß, wie er herein gekommen ist. Er war auch einige Mal in der Obermühl’, am meisten und öftersten aber hier bei mir. Er nimmt nur Geld, nichts Anderes als Geld; er weiß ganz genau, wann man es bekommt und wo es liegt, selbst wenn man es im tiefsten Grund verbirgt. Wenn ich welches bekommen hab’, so bin ich damit voll Angst im Haus herumgelaufen und hab’ es jeden Tag wo anders hingesteckt; aber gefunden und geholt hat er’s. So ist mir’s viele, viele Mal gegangen; ich bin ärmer, immer ärmer geworden, und die Sorg’ und Unruh’ hat mich abgezehrt, wie der Schwamm dem Baum ins Leben frißt. Und als hernach endlich die Niedermühl’ aufgeschrieben wurde mit Allem, was darin stand und hing, hat mir Dein Vater Hilf’ versprochen und mich abgehalten, sie bei einem Anderen zu suchen. Ich hab’ ihm auch vertraut und gewartet bis zum letzten Augenblick. Aber als ich dann heut’ gekommen bin, um mir das Geld zu holen, ist er voll Freud’ und Lachen gewesen, daß ich zu Schanden bin, hat mich den Dümmsten von den Dummen geheißen und drauf am Nachmittag das höchste Gebot gethan, so daß ihm meine liebe, schöne Mühl’ mußt’ zugeschlagen werden. Geh’ nach dem Dorf’ ins Wirthshaus, wenn Du ihn finden willst. Er ist mit dem Hans dorthin gefahren und giebt den Freilanz und das Einstandsbier. Da werden sie nun jubeln und springen, und ich mag sehen, wo mir ein Aufenthalt bleibt!«
Es war Ferdinand unmöglich, ein Wort zu dem Gehörten zu sagen. Er lehnte mit erbleichtem Angesichte an der Thür und starrte den Müller an, als habe er von ihm ein Ungeheuerliches, eine Schreckensbotschaft vernommen, unter der er die Antwort im Munde ersterben fühle. Horn war auf einen Sitz gesunken und hatte das Gesicht in die Hände verborgen. Nach kurzem Schweigen aber sprang er wieder empor und trat auf den jungen Mann zu.
»Jetzt weißt Du, was Du wissen wolltest. Ich hätt’ gar nicht so viel zu Dir gesprochen, aber Du warst früher gut und brav und wirst auch jetzt noch ein Gefühl im Herzen haben, obgleich der Apfel nicht gar weit vom Stamme zu fallen pflegt. Dein Vater sagte heut’, ich würd’ als Bettler aus dem Haus getrieben und könnt’ am Armuthsbach die neue Elendsmühl’ errichten. Er mag sich nur nicht verrechnen. Ich hab’ von dem Zahlgelde doch noch so viel herausbekommen, daß ich nicht von Thür zu Thür zu wandern brauch’, und er ist doch auch nicht vor dem End’ glücklich zu preisen. Wer seinen besten Freund verräth und betrügt und gar noch den Glauben abschwören will, der soll mit dem Hohn nicht billig sein. Der liebe Gott hat auch seine Mühlen, und die mahlen zwar oft langsam, aber trefflich
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