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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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klein!«
    »Den Glauben abschwören, sagt Ihr! Wie meint Ihr das?« klang die Frage zwischen den zuckenden Lippen hervor.
    »Er will katholisch werden und nach Mariahilf wallfahrten, um dort Heilung zu finden und sich als Mirakel anstaunen zu lassen. Das ist die Krone, die dem heiligen Klaus noch fehlt. Geh’ fort, geh’ fort! Er ist ein Judas, und Du bist sein Sohn; wir sind geschied’ne Leut’. Spiel’ den reichen Niedermüller, so lang’ Du willst und so lang’ es geht; ich kann auf meine Elendsmühl’ stolzer sein, als Ihr auf Euer Lotterieheimwesen!« Er öffnete die Thür und deutete hinaus. »Verlaß die Stub’ und kehr’ mir nimmer wieder!«
    »Vater,« klang die bittende Stimme des Mädchens, »thu’ ihm das nicht zu Leid; er ist ja unschuldig an dem, was uns betroffen hat!«
    Ferdinand erfaßte ihre beiden Hände mit den zitternden seinen.
    »Bertha, ich dank’ Dir schön für die Lieb’ und Güt’, mit welcher Du gesprochen hast; aber der Vater hat Recht, wenn Alles wahr ist, was er sagt. Ob wir uns wiederseh’n, das weiß ich nicht; aber wenn ich die Fremd’ wieder aufsuchen muß, so vergiß den Ferdinand nicht, der an Dich gedacht hat, so lang’ er fort gewesen ist, und der ein Leid mitnimmt, für das es keine Heilung giebt!«
    Seine Augen glänzten feucht, und seine Stimme bebte. Er sah aus wie Einer, der die tödtende Kugel erwartet, und als er sich jetzt an den Niedermüller wendete, wollten ihm die Worte nur langsam und wie heiser von den Lippen gehen.
    »Lebt wohl; ich will Euch gehorchen und Eure Stub’ verlassen! Kehr’ ich wieder, so bleibt Ihr Niedermüller und sollt erkennen, daß ich besser bin, als Ihr wohl meint. Kehr’ ich aber nicht zurück, dann vergebt mir das Weh, das Euch ohne mein Wissen und ohne meine Schuld bereitet worden ist. Ich bin ärmer noch, als Ihr, und der Armuthsbach, an dem ich steh’, ist tiefer noch und schlimmer, als derjenige, an dem Ihr Eure Elendsmühl’ errichten sollt. Gott geb’, daß ich nicht darin versink’!«
    Er ging. Es war mittlerweile dunkler Abend geworden. Am Wege, der zum Dorfe führte, rauschten hüben und drüben die Tannen; das Strauchwerk flüsterte so lind und heimlich, und der Bach murmelte auch jetzt sein altes Lied. Ferdinand vernahm von diesen »Stimmen und Tönen«, denen er heute Morgen so glücklich gelauscht hatte, nichts; er schritt unsicher und wankend auf dem so wohlbekannten Wege dahin; es war in ihm ebenso finster, wie in der Natur um ihn her, und dieses innere Dunkel wurde durch die Lichter, welche das bald erscheinende Dorf ihm entgegenwarf, nicht aufgehellt. Wie ganz anders sah es doch jetzt in ihm aus, als vor den wenigen Stunden, da er gemeint hatte: »Daheim ist’s doch am schönsten; ich komme nie wieder fort!«
III.
    »Der Gichtmüller hat die Niedermühl’ ersubhastirt, und die Nachbarn sollen nach dem Gasthof kommen. Er giebt dort den Freitanz und das Einstandsbier!«
    So lautete die Kunde, welche der Dorfwächter von Haus zu Haus getragen hatte, und Jeder, der nicht durch eine Nothwendigkeit zurückgehalten wurde, war ihr gern und willig gefolgt. Es gab so vielerlei Gründe, sich über das Ereigniß des Tages auszusprechen, und als man gar sah, daß der Obermüller auf seinem Räderstuhle durch das Dorf gerollt und nach dem Gasthause geschoben wurde, wollte es Niemand versäumen, den Mann zu sehen, dessen Wohlhabenheit erst jetzt zu imponiren begann und dessen Person durch die Unnahbarkeit, in welche er in den letzten Jahren gehüllt gewesen war, ein gewisses romantisches Interesse erhalten hatte. Die Achtung, welche man seinem Sohne zollte, der es bis zum Geschäftsführer einer weit entfernten amerikanischen Dampf-und Wassermühle gebracht hatte, floß unwillkürlich auch auf ihn mit über, und Viele, die es mit ihren Rechtsansichten nicht so genau nahmen, erkannten gern die Schlauheit an, mit welcher von ihm der Lotteriegewinn zu demselben Zwecke aufgehoben worden war, zu welchem er Ferdinand in die Fremde geschickt hatte, um etwas Tüchtiges zu lernen.
    Man hatte seinen Stuhl hinauf in den Saal getragen, damit er sich überzeugen könne, welch einen fleißigen Gebrauch man von seiner reichlichen Spendung mache. Hier hielt er schon mehrere Stunden lang inmitten der Tanzenden und von einem Kreise lustiger Trinker stets umschlossen. Die Beine staken auch jetzt in einem dicken Wattüberzuge, und der Kopf mit dem leidenden und eingefallenen Gesichte lag weit hintenüber in dem verbrauchten Polster

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