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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schnellsten Laufe an und fühlte sich nun sicher, als er bei seiner Ankunft bemerkte, daß die Leiter noch hing. Aber noch hatte er die halbe Länge derselben nicht erklommen, so rief es unter ihm:
    »Halt an, Spitzbub’, und komm herab, damit ich Dir guten Abend sagen kann!«
    Der Schreck fuhr ihm durch alle Glieder. Was sollte er beginnen? Hinauf durfte er nun auf keinen Fall, da wäre er gefangen gewesen, denn der Müller hätte ganz sicher die Leiter herabgerissen, wäre nach oben gekommen und hätte das Geld bei ihm gefunden. Zurück konnte er aber auch nicht. Es gab nur einen einzigen Weg für ihn. Das Fenster, bei dem er eben hielt, führte auf den Treppenboden; wenn er es einschlug und hindurch sprang, so war er gerettet. Er zögerte nicht, diesen Gedanken sofort auszuführen. Die Scheiben klirrten; da ertönte es wieder:
    »Halt, Bursch’; nicht weiter oder ich schieß’!«
    Das Klingen des aufgestoßenen Fensterflügels bewies, daß er nicht gewillt sei, auf die Warnung zu hören. Der Schuß krachte; der herabstürzende Körper des Getroffenen schlug auf die Erde; er lag an derselben Stelle, an welcher Ferdinand seinen Vater gefunden hatte. –
    Der Morgen war noch nicht weit vorgerückt, aber die Kunde, daß Horn heute Nacht den »Geldmarder« erschossen habe, hatte trotz der frühen Stunde schon viele Neugierige, die den Todten, welcher in seinem Leben so gefährlich war, sehen wollten, aus dem Dorfe herbeigezogen. Er war noch nicht vom Gerichte aufgehoben worden und lag noch an der Giebelseite, wo er getroffen worden war. Der Dorfwächter stand bei ihm und sah streng darauf, daß nichts an dem
status quo,
wie er sich gelehrt und wichtig ausdrückte, verändert werde.
    Da kam Ferdinand langsam und gesenkten Hauptes den Mühlenweg herab. Man hatte ihn noch nicht gesehen und eilte ihm entgegen.
    »Weißt Du auch, was hier passirt ist?« wurde er gefragt, als die Begrüßungen vorüber waren. »Der Niedermüller hat den ›Marder‹ erschossen, und denk’ Dir nur, sein eigner Knapp’, der Lebrecht ist’s gewesen!«
    Er horchte hoch auf und ließ sich zu der Leiche führen. Es war kein schöner Anblick, der sich ihm bot; trotzdem nahm sein Gesicht einen helleren Ausdruck an, begann sich aber bald wieder zu verfinstern, als man ihm bemerkte:
    »Wie gut, daß er unschädlich gemacht ist! Er hätt’ Dir eben solchen Schaden gemacht, wie dem Horn und noch Anderen, denn Dein Vater ist jetzt Niedermüller und würd’ ihn sicherlich behalten haben!«
    »Mein Vater ist heut’ Nacht an seiner Gicht gestorben, und wer Niedermüller ist, das wird sich erst noch finden!«
    Er wartete die Antwort der Verwunderten nicht ab, sondern trat in das Haus und klopfte wie gestern an die Thür. Der Müller öffnete selbst.
    »Du bist’s schon wieder? Was willst Du heut’?«
    »Ich möcht’ Euch an das Wort erinnern, welches ich Euch gestern beim Abschied gesagt habe.«
    »An welches?«
    »Ich sagte: ›Wenn ich wiederkehr’, so bleibt Ihr Niedermüller!‹ Ich bin gekommen, um dieses Versprechen zu halten!«
    »Das ist nicht möglich. Sag’s deutlicher, was Du meinst!«
    »Der Vater ist todt. Wenn die Gicht erst einmal in den Leib tritt, so ist’s oft schnell zu End’. Ich mag die Niedermühl’ nicht haben und will sie Euch verkaufen!«
    »Die Niedermühl’? Verkaufen? Willst Du mich etwa verhöhnen?«
    »Das kommt mir gar nicht in den Sinn! Wenn Ihr sie gern behalten wollt, so sollt Ihr mich bereit und billig finden. Ich hab’ Euch schon gesagt, daß ich gern gut machen will, was Euch Böses geschehen ist; nur sollt Ihr nicht auch mich für schlimm und ungut halten!«

    »Wenn es Dein Ernst ist, so will ich gern vergessen, was ich Dir vorgeworfen hab’. Schau, der ›Marder‹ hat seinen Lohn bekommen. Es war mein eigner Knecht. Ich traf ihn grad’, als er herab wollt’, um mein Herausgeld fortzutragen. Nun weiß ich auch, warum er stets gewußt hat, wenn ich welches bekam und wo ich es liegen hatte. Auch das von den letzten Malen trug er bei sich; er muß irgendwo ein Nest haben, wo es versteckt liegt, und es ist ganz möglich, daß wir es einmal finden. Was ich bei ihm gefunden hab’, reicht vielleicht zur Anzahlung hin, wenn Du mit Deiner Forderung nicht gar hoch hinaus willst. Für welchen Preis giebst Du die Mühl’ zurück?«
    »Für denselben, den der Vater gestern gezahlt hat. Ein Angeld braucht Ihr nicht zu geben. Ich laß Alles darauf stehen, und vor der Hand sollt Ihr auch keine Zinsen

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