Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Sachsen Soldaten, viel Soldaten braucht, und deshalb wird man sich so schleunig wie möglich nach brauchbaren Leuten umsehen. Der Rittmeister, welcher heut Morgen von Freiberg her in Chemnitz eingetroffen ist, wird unsere Gegend hier absuchen und bei Ernstthal anfangen, er ist deshalb seiner Schwadron vorausgeeilt, um mit dem Junker, welcher mit den hiesigen Verhältnissen vertraut ist und den Werbestationen des Zwickauer Kreises vorsteht, Rücksprache zu nehmen. Ich werde also nun doch wohl Fahnenschmied werden müssen und packe meine Sachen, damit ich den Herren keinen unnöthigen Aufenthalt verursache. Nach beendigtem Geschäfte wird der Blauweiße, dem es in der Nähe der Preußen ein wenig zu schwül zu sein scheint, nach Oesterreich gehen, zuvor aber erst unsern beiden Frauen einen Besuch abstatten, um sie auf eine allerdings überraschende Weise für seine Gesellschaft zu engagiren.«
»Wahrhaftig, so ist es, und ich kam, um Euch auf die Gefahr aufmerksam zu machen, in welcher Ihr schwebt. Man kann nicht wissen, wenn sie kommen, und es wird wohl am besten sein, wenn sich die militärfähigen Burschen verstecken, denn mit Eurer Ergebung in das zu erwartende Schicksal ist es Euch doch wohl nicht Ernst. Aber woher wißt Ihr das Alles?«
»Laß das gut sein. Mit dem Verstecken hat es seine guten Wege; es würde zu nichts Gutem führen, und ich bin eher gewillt, anzunehmen, daß dem Herrn Rittmeister gar nicht viel Zeit bleiben wird für die Erreichung seiner lobenswerthen Absichten. Der Oberstcommandirende der Preußen pflegt seine Siege schleunigst zu verfolgen, und es steht daher sehr zu erwarten, daß er dem Feinde die zu einem Verweilen und der Anwerbung neuer Kräfte so nöthige Ruhe nicht lassen werde. Ich habe deshalb einen andern Plan. Kannst Du reiten?«
»Ja, ich war Cavallerist.«
»Wie viel hast Du Gehalt?«
»Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.«
»Ich kenne einen vornehmen Herrn, welcher einen zuverlässigen Jäger braucht. Willst Du die Stelle annehmen? Du wirst es gut, sehr gut haben.«
»Mit tausend Freuden.«
»Packe Deine Sachen. Heut Abend mußt Du zur Abreise fertig sein.«
»Das Packen hat bei mir keine Schwierigkeit. Ich bin ein alter Junggeselle, habe Niemanden, der sich um mich bekümmert, und bringe meine sieben Sachen recht gut in ein Felleisen.«
»Gut, da kannst Du Dir jetzt das meinige mitnehmen.«
»Aber das braucht Ihr doch selbst, und darf ich vielleicht fragen, wer der Herr ist, von welchem Ihr spracht?«
»Das wirst Du heut noch erfahren. Komm jetzt mit herauf, Du bekommst noch besondere Instruction.«
Und sich an der Thür noch einmal zurückwendend, mahnte er in gebieterischem Tone:
»Von unserer Unterredung darf kein Wort aus dem Hause gehen.«
Der Nachmittag kam und mit ihm die Kunde von der verlorenen Schlacht. Das Schneegestöber hatte aufgehört. Die Decembersonne milderte die winterliche Kälte, und die aufgeregten Bewohner Ernstthal’s standen vor den Thüren und auf den Straßen, um sich die Neuigkeit mitzutheilen. Weißpflog saß mit den beiden älteren Frauen in der Unterstube, der Geselle war in seiner Kammer und Auguste befand sich allein in ihrer Wohnung.
Sie war voller Angst und Sorgen. Die letzten Tage hatten ihr viel Nachdenken über ihren eigenen Zustand gebracht und auch die Mutter in nicht geringe Aufregung versetzt. Wer war der fremde Arzt? wo war er hergekommen und wo blieb er so lang? Die Mutter hatte bei ihrer Heimkehr am Abende mit Ueberraschung die Nachricht von dem Geschehenen gehört. Am meisten war ihr das Verhalten des Arztes beim Eintritt Augustens und zwar ganz besonders die Namenverwechslung aufgefallen, aber sie wagte nicht, ihre Vermuthungen auszusprechen. Die zurückgelassenen Anordnungen wurden auf das Gewissenhafteste befolgt und der Tag mit Ungeduld erwartet, welcher Gewißheit und Aufklärung bringen sollte.
Aber nicht Das, sondern etwas Anderes beschäftigte die Gedanken Augustens heut. Seit jenem Heimwege aus dem Waldhause hatte sie noch nicht wieder mit Goldschmidt gesprochen. Sie fühlte, daß sie ihm zu eigen sei für die ganze Lebenszeit, aber sie war ein zu verständiges Mädchen, um nicht einzusehen, daß eine blinde Frau den Ansprüchen nicht genügen könne, welche Handwerk und Geschäft stets und immer an die »Meisterin« machen. Deshalb war sie fest entschlossen gewesen, ihre Liebe zwar im treuen, warmen Herzen zu hegen, aber keinerlei Consequenzen aus derselben zu ziehen. Dieser Entschluß war dann
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