Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
mit dem Zuschlag’n bei der Hand, und hab mich vor dem Heiner niemals net gefürchtet! Mirweg’n mag’s immer so sein; es kömmt doch noch die Stund’, in der ich mit ihm Abschluß halt weg’n der Alwin’, weg’n dem Teichhof und weg’n Allem, was ich um seinetwill’n verloren und verjubelt hab. Die Flasch’ ist noch immer vorhand’n, die damals für ihn bestimmt war; er mag sich nur in Acht nehmen, daß sie net auch ‘mal an den Recht’n kommt. Es sind wohl an die zwanzig Jahr’ verfloss’n, seit da mir seine hübsche Larv’ im Wege war; sie ist mir noch heut zuwiderer als der Tod, und wenn er sie net hütet, so kann sie gar bald der Visag’ des Kantors ähnlich sehn!«
Der, welchem diese Drohung galt, schritt über die Wiese und durch den angrenzenden Wald nach einem freien, von dürrem, vorjährigem Distelwerk bestandenen Platze.
»Pst, Heiner,« klang es hinter einem dichten Dorngestrüpp hervor; »bleib stehn und rühr Dich net!«
Der Angerufene folgte der Weisung und blickte forschend umher. Inmitten der kleinen Lichtung stand ein einzelner Strauch, dessen Zweigspitzen mit Leimruthen besteckt waren; der Lockvogel saß am Boden in einem Käfige, welcher den Blicken der mißtrauischen Beute durch allerlei grünes Blattwerk entzogen war. Eben hatte sich ein Flug von Hänflingen auf den Buschrand niedergelassen, und der hinter dem Dorngewirr verborgene Vogelsteller lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit den Stimmen der einzelnen Männchen unter ihnen.
»Hörst, Heiner, den da drüb’n auf der jungen Birk’, was der für aan ›Di–ee–bli–ee‹ hat? Der singt wie aan zweijähriger Alter und ist doch nur aan rother Frühjährling. Den muß ich hab’n!«
Nach einer kurzen Pause flüsterte er weiter:
»Schau den dort auf dem Ficht’nast, wie weich und zart dem sein klaanes Stimmchen klingt. Der ist vom letzt’n Herbst, und der Kenner zahlt wohl an die zwanzig Grosch’n für ihn auf. Ich muß ihn hab’n!«
Nach einem ferneren Schweigen zeigte er nach der Spitze einer Tanne.
»Alle Wetter, Heiner, ist das aan Schlag, den der da ob’n hat! Das wird aan Stellvogel, der die Flüge aus den Wolk’n ‘runterzieht. Er ist unter Brüdern seine drei Thäler werth; ich muß ihn hab’n!«
Wieder lauschte er.
»Hörst Du ‘was von dem unsrig’n? Kaan Laut, net aan einziger Mux ist zu vernehmen. Doch jetzt, jetzt fängt er an. Horch! ›Cha cha cha di eee, di di di bli–eee, cha cha cha!‹ So ists recht. Jetzt müss’n sie all’ auf die Ruthen fall’n! ›Cha cha cha di–eee, cha cha – –‹ Was ist denn das? Ist denn der Racker net recht bei Troste? ›Zapp zapp zapp‹ brüllt er, und nun sind sie dort über alle Berge! Anstatt sie fein hübsch anzulock’n, warnt er sie. Das ist doch grad’zu zum Närrischwerd’n!«
Er fuhr aus dem Gedorn heraus und auf den Vogel zu, nahm den Käfig von der Erde und schüttelte ihn mit grimmiger Geberde hin und her.
Heinrich oder vielmehr Heiner, wie der Gebirgler diesen Namen gern sich mundgerecht zu machen pflegt, folgte ihm lächelnd bis zu dem Ruthenstrauch.
»Laß’s gut sein, Vater! Der Vogel hat nix verbroch’n; er ist nur gegen Seinesgleich’n ehrlich gewes’n.«
»Aber geg’n mich net, der Nixnutz der! Mit wem hat er’s denn zu halt’n, he, mit mir oder mit dem Vogelzeug? Bei wem steht er denn in Kost und Brod, und von wem bekommt er denn seine Wartung und Pfleg’ wie sich’s schickt und gehört, he? Doch von mir! Ich lieg nun seit vier Uhr hier auf der Lauer und hab noch nix gefangen, nix gar nix, auch net den einzig’n Schwanz! Und warum? Entweder wenn ‘was kommt, so sitzt er drin, putzt sich und hält den Schnabel, oder er schreit ›zapp zapp‹ und jagt mir damit den best’n Fang vom Busch. Er bekommt alle Tag’ dreimal frisches Wasser und feinen Rübs’n, Lein und Hanf dazu, das grüne Knusperzeug gar net gerechnet; aber den kann ich mit Servelatwurst, Eierpunsch und Schinkenknoch’n füttern, er bleibt doch bei seinem ›Zapp!‹ Das muß anders werd’n, und er soll aane Kur hab’n, die ihm den Kopf schon zurechtsetz’n wird!«
Man sah es dem guten Alten an, daß es mit seiner Rage nicht gar so schlimm gemeint sei, als es den Anschein hatte. Der Aerger stand ihm so drollig zu Gesicht, daß sich über die ernsten Züge Heiners ein helles Lächeln breitete.
»Bei solcher Kost thät ich fast selber mit. Meinst’ net, Vater?«
»Sei still, Bub’! Pfeifst auch immer anders, als ich will, und denkst
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