Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
alleweil’ nimmer an Das, was für uns gut und nöthig ist. Fast erst um zwei Uhr war’s, als ich von zu Haus’ fort bin. Früher, als die Mutter noch lebt’, da stand der Kaffee auf dem Tisch, die Frühstücksbemm’ war eingewickelt und es gab aan freundlich Wort mit auf den Weg; da stieg sichs gar lustig den Berg hinan, die Hantierung flog aus der Hand, und wenn ich heim kam, so wußt’ ich, was ich gefangen hatt’. Wie aber ist’s jetzt heut und alle Tag’? Vom Kaffee kaane Red’, vom Frühstück kaane Red’, von nix net kaane Red’. Verdross’n schieb ich mich den Berg hinan, und kehr ich heim, so hab’ ich nix gefangen und setz mich hin, stopf Strümpf’ oder setz Flicklapp’n auf die zerriss’ne Wäsch’. Wo kaane Frau im Haus’ ist, da giebts nur eitel Unordnung und Aergerniß, und kommt dann gar noch so aan verwünschtes ›Zapp‹ dazu, so ists gleich rein all’ mit mir. Das muß anders werd’n! Hast’s gehört?«
»Ja. Aber warum nimmst’ Dir denn kaane Frau, wenn Dir’s allein net mehr gefällt?«
»Ich? Wieder heirat’n? Bei Dir rappelts wohl im Kopf! Das müßt wohl auch aan schönes Weibs’n sein, dem solch aan alter Fink noch gut genug wär, und das Herzeleid will ich meiner braven Alt’n net im Grab anthun, daß ich mich mit meinem grauen Kopf noch gar verschamerir! Du waaßt recht gut, wer an der Reih’ ist schon seit langer Zeit, aber Du thust net dergleich’n, und was man sagt, das ist in den Wind gesproch’n!«
»Ich find Kaane, die mir paßt, Vater!«
»Sei nur gleich still mit Deinem Find und Paßt, denn es steckt doch nix dahinter als die leere Ausred’! Wer nix sucht, der kann auch nix find’n, und wer nix findet, dem kann auch nix pass’n. Die Weiber flieg’n Aanem net wie die gebrat’nen Taub’n in den Mund; sie möchten’s zwar gern, aber es schickt sich net für sie, und darum muß man doch wenigstens die Hand ausstreck’n, wenn man Aane hab’n will. Mach nun bald endlich ‘mal gehörig Anstalt; das Alter hast’ schon längst dazu!«
Der Alte war auf sein Lieblingsthema gekommen, bei dessen Besprechung er kein Ende zu finden pflegte.
»Ich hab den Stieglitz mitgebracht,« meinte Heiner; »soll ich das Tuch fortnehmen?«
»Ja ja, komm mir nur schnell mit dem Stieglitz dazwisch’n, wenn ich von der Frau anfang! Ich will nur lieber gleich den Mund halt’n und nach Haus’ gehn; fangen thu ich doch nix und daheim giebts viel zu thun, zu kehr’n und zu wisch’n, die Bett’n zu mach’n, einzufeuern und Kartoffel zu schäl’n; man waaß vor lauter Arbeit net wo man anfangen soll, und kommt auch nimmermehr zu End’ damit. Wo kaane Frau im Haus’ ist, da giebts nur eitel Unordnung und Aergerniß. Ich geh!«
Er nahm das Hänflinggebauer vom Strauche, schlug ein Tuch darüber und schritt brummend davon. Heiner hing den Stieglitz an die Stelle seines pflichtvergessenen Kameraden und nahm dann in dem Verstecke seines Vaters Platz. Er hatte weniger auf seine äußere Umgebung als vielmehr auf die Regungen seines Innern Acht. Grad an einem so wundervollen Frühlingsmorgen wie heut und unter demselben Baume, an welchem der Kartenbalzer ihn vorhin überrascht hatte, war das Scheidewort zwischen ihm und der schönen, trügerischen Kantorstochter erklungen. Sein tiefes, treues Gemüth hatte den Verlust nicht zu überwinden vermocht und darum einer zweiten Liebe niemals Raum gegeben. Darüber waren die Jahre vergangen, aber Heilung für das Weh seines Herzens hatten sie ihm nicht gebracht.
Die Stimme des Lockvogels weckte ihn aus seinen Träumen. Ein kleiner Gefangener flatterte ängstlich kreischend mit der anklebenden Leimruthe von dem Busche zur Erde nieder. Er sprang auf und eilte hinzu. Die Freude über den Fang ließ ihn das Rauschen eines weiblichen Gewandes überhören.
»Du mußt doch aan recht böser Mann sein, daß Du dem Thierch’n net die Freiheit gönnst!« klang eine sanfte, vorwurfsvolle Stimme neben ihm.
Er drehte sich um und fuhr dann bei dem Anblicke des jungen Mädchens wie vor einer Geistererscheinung mit abwehrenden Händen und weit geöffneten Augen zurück.
»Alwin’! Was thust hier auf dem Fichtler?!«
Sie blickte ihn erstaunt an.
»Mein Nam ist net Alwin’, sondern Alma! Aber sag, warum erschrickst’ vor mir?«
»Weil – weil – weil ich Dich net kenn’ und auch net gewußt hab, daß außer mir noch Wer hier zugeg’n ist.«
»Das sind doch kaane Gründ’, sich vor mir so zu entsetz’n,« meinte sie, ihn mit
Weitere Kostenlose Bücher