Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
ihren großen, braunen Augen prüfend überblickend. »Entweder Du bist trotz Deiner Körperstärk’ aan furchtsamer Bursch’ oder es ist bei Dir mit dem Gewiss’n net ganz richtig. Gieb her den Vogel; ich werd’ ihn wieder fliegen lass’n!«
Er hatte sich von der bei ihrem ersten Anblicke gezeigten Bestürzung erholt und lächelte jetzt über ihre resolute Art und Weise, mit ihm fertig zu werden.
»Das geht net so rasch wie Du denkst, Du klaaner General, Du! Wer bist’ denn eigentlich, daß Du das Kommandir’n so gut verstehst?«
»Ich bin die Tochter von der neuen Teichbäu’rin, die gestern eingezog’n ist.«
»Und wie ist denn Dein ganzer Nam’?«
»Er lautet Alma Smirnoff.«
»Das ist doch aan recht possierlich Wort! Aus welcher Sprach mag’s wohl herkommen?«
»Mein Vater war aan Russ’, und wir hab’n bisher in Warschau gewohnt.«
»In Warschau? Das ist gar weit von hier. Woher hast Du denn da die deutsche Sprach’ gelernt, und noch dazu so, wie wir sie hier im Erzgebirg’ sprech’n?«
»Ich hab – ich bin – es war Jemand in unsrer Famil’, der mit mir fast gar net anders geredet hat als Euern Dialekt. Und wer bist denn Du?«
»Mein Nam’ heißt Heinrich Silbermann; mein Vater ist der Vogelhändler unt’n im Dorf.«
Sie trat schnell einen Schritt zurück und sah ihn mit einem Blicke an, aus welchem es wie mühsam zurückgehaltene Theilnahme und Freude strahlte.
»Der Silberheiner bist’, der so schöne Lieder dicht’n und so prächtig dazu singen kann?«
»Woher hast’ Dieses schon gewußt?«
»Die Mut – – es ist – davon bei uns gesprochen word’n,« antwortete sie verlegen. »Vorhin stand ich da unt’n im Grund; weit ob’n sang Aauer zwaa Vers’, so schön, so prächtig, daß ich den Athem net hab gehen lass’n. Warst’ das auch?«
»Werd’s wohl gewes’n sein!«
»Da dank ich Dir gar sehr für den Gesang, Silberheiner! Es hat aan Herz und aan Gemüth darin geleg’n, daß ich gezwungen bin, Dir Abbitt zu thun von weg’n dem ›bös’n Mann‹, wie ich Dich genannt hab.« Sie streckte ihm die kleine, feine weiße Hand entgegen und fuhr dann lebhafter fort: »Aber den Vogel, den mußt’ mir doch zeig’n! Oder net?«
»Da schau her! Es ist aan Stieglitz; der Vater will ihn brauch’n für die Kanarienheck’, und ich werd’ Freud’ anricht’n, wenn ich ihn bring.«
»Welch aan lieb’s und schön’s Vögele! Aber sieh den garstg’n Leim! Geht er auch wieder ab?«
»Freilich muß er wieder herunter! Ich hab schon mitgebracht, was ich aufstreich’n werd; paß auf! So da ist er geheilt und kann die Flügel wieder gebrauch’n.«
»Und was thust nun mit ihm? Soll er wirklich in den Käfig kommen?«
»Ja.«
»Aber wenn ich Dich nun recht schön bitt, ihn frei zu lassen!«
»So kann ich doch net ja sag’n. Der Vater ernährt sich von dem Vogelhandel, und wenn er nix fängt, so kann er auch nix verdienen. Er hat die ganze Nacht bis jetzt im Wald geleg’n und leer nach Haus’ gemußt, drum wird er sich freuen, wenn ich ‘was bring, und wenn’s auch aan einzig Stück nur ist.«
»Dann will ich Dir den Stieglitz abkauf’n!«
»Grad den darf ich net verkauf’n, weil er zu den Kanari’n kommt.«
»Und doch wirst’ mir ihn ablass’n, Silberheiner. Ich geb Dir dafür was Du verlangst. Bitt, thu es doch!«
Er konnte kein Auge von ihr verwenden. War denn ein Traum aus alten, seligen Zeiten über ihn gekommenn, der seine Sinne und all sein Denken und Empfinden in süße, zauberische Fesseln schlug? Diese mit gar keinem Worte bezeichnende Stimme, diese tiefen, kristallhellen Augen, dieses warme, unter der Bitte zuckende Händchen, hatte er nicht oft in glücklicher Vergessenheit ihrem Klange gelauscht, hatte er nicht oft minutenlang den liebenden Blick in ihr fluthendes Licht getaucht, hatte er sie nicht einst wieder und immer wieder an seine vor Wonne schweigsamen Lippen gedrückt? Wie viel tausend Male hatte seine Hand wie segnend auf diesen vollen, seidenweichen Locken geruht, und doch – – doch hatte das Alles ein schnelles, jähes Ende genommen! Stand jetzt nach zwanzig Jahren vielleicht die Vergangenheit in verklärter Gestalt vor ihm, um die untergegangene Sonne wieder empor zu rufen?
»Wenn ich der Silberheiner bin,« antwortete er endlich, »so bist’ wohl die Goldfee, der man nix abschlag’n darf? Gibst wirklich dafür, was ich verlang?«
»Ja.«
»Aber ich werd von Dir kaan Geld fordern. Alma! Die Freiheit ist auch für so
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