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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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weil Du so schön zu dicht’n verstehst und im Thun bist doch gar anders.«
    »Willst net aan Beispiel sag’n?«
    »Hast’ mir net ‘mal aan Liebesgedicht machen müss’n?«
    »Ja. Hast’ es gemerkt?«
    »Nein. Doch sag den Anfang!«
    Ohne sich zu besinnen rezitirte er:
     
    »In Deiner Liebe ruht mein Leben,
    Ruht meine ganze Seligkeit.
    O, laß nach Deinem Glück mich streben
    Und sei mein eigen allezeit!«
     
    »Schau, Du hast es net so vergess’n, wie ich. Es war so schön, so lieb und warm, und da hab ich gedacht, daß – – –«
    Sie stockte. Er aber küßte ihre schmollenden Lippen zum ersten Male und ergänzte dann lächelnd:
    »Du hast Dir gedacht, wie schön es sein müßt’, wenn ich Dich ‘mal ans Herz nehmen und zu Dir sprech’n werd’, gerade wie im Gedicht. Ist’s net so?«
    »Ja,« gestand sie.
    »Dann hast’ gewartet immer fort vergebens, denn ich bin so viel anders gewes’n. Und nun ich Dich im Arme halt’, ist’s auch net so, wie Du Dirs ausgemalt und gezeichnet hast. Hab ich Recht?«
    »Ja.«
    »Alwin’, das ist net meine Schuld. Die Wirklichkeit ist kaan Gedicht und kaan Idyll; sie ist hart und macht, daß oft aan einzig Wort, aan einz’ger Blick dem Laut, der aus der Tief’ heraufquillt, den sel’gen Klang nimmt, der ihm eigentlich gehört. Doch komm, leg Dein Köpfle so recht fest an mich und sag: Hast’ mich lieb, Alwin’?«
    »Ja, und Du?«
    »Ich Dich noch viel, viel mehr!« klang es langsam aus der untersten Brust empor. »Ich kann Dir gar net sag’n, was Du mir bist; aber ich bitt ich gar inständig, sei immer brav und treu zu mir, sonst müßt’ ich schier vergehn vor Gram und Herzeleid!«
    Sie antwortete nicht; aber ihre Lippen ruhten auf seinem Munde und gaben ihm Kuß um Kuß in süßem Wechsel zurück. Es war ihm, als besitze er ein Königreich, dessen Werth und Herrlichkeit er erst jetzt erkenne, und er wurde nicht müde, ihren reinen, würzigen Athem zu trinken, bis sie endlich abwehrend ihn ermahnte:
    »Nimm Dich doch auch in Acht, Heiner, Du verknitterst mir ja mein Band, gerade das, was mir am Best’n steht!«
    »O laß das Band, Alwin’; das kann man wieder glätt’n!«
    »Nein, das Bügeleis’n nimmt ihm den Glanz und auch die Farb’. Gut’ Nacht, Heiner!«
    »Gut’ Nacht, Alwin’!«
    Nach einem raschen Händedrucke war sie verschwunden. Heiner blieb stehen, bis das leichte Geräusch ihrer Schritte im Flur verklungen war, dann schritt er seinem Häuschen zu.
    »Was so aan Mad’l doch gar eig’n ist, ‘mitt’n in solcher Wonn’ und solchem Glück noch an das Band zu denk’n! Aber so ist’s recht, und so muß es sein, denn das ist aan Zeich’n, daß sie ‘mal brav zu wirthschaft’n verstehn und das Unsrige zusammenhalt’n wird. Gut’ Nacht Alwin’, schlaf wohl,« flüsterte er noch und suchte dann die Ruhe, die heut viel langsamer als gewöhnlich kam. – – –
IV.
    Als Vater Silbermann am andern Morgen aufstand und in die Stube trat, blieb er erstaunt stehen. Heinrich saß am Fenster und blickte hellen Auges hinüber nach dem Schulhause, wo die Kantorstochter sehr eifrig an den Fenstern zu schaffen hatte.
    »Wa – wa – was ist mir denn das? Warum bist’ net drauß’n auf dem Fichtler? Waast’ net, daß aan Zeisig bestellt ist und zwaa Meis’n dazu?«
    »Laß gut sein, Vater, ich hab heut andre Sach’n vor!«
    »Andre Sach’n? Möcht doch bald wiss’n, was das für wicht’ge Dinge sind!
    Es ist gestern ausgemacht, daß Du heut Morg’n gehst, weil ich gestern in der Früh gwes’n bin, und nun ich aus der Kammer komm’, sitzt der Bursch’ am Fenster, guckt den Himmel an und läßt Fink’ Fink’ und Meis’ Meise sein. Hätt ich gewußt, daß Dir der Tanz so in den Gliedern liegt, so hätt’ ich mich selber aufgekrappelt und wär hinaufgestieg’n, denn haben muß ich die Vög’l, das geht nun ‘mal net anders.«
    »Es muß schon anders gehen, und waast’ warum, Vater?«
    »Warum? Darum, weil nun der Morgen beinah vorüber ist und – aber was ist mir denn das? Die gut’n Hos’n hat er an, die Sonntagswest’ dazu, und die Uhr mit der goldnen Kett’ baumelt auch schon aus der Tasch’! Was sind das für Allotria am Montag früh? Und dabei ist der Of’n noch kalt, kaan Feuer brennt und kaan Kaffeewasser ist angesetzt. Hätt’st doch wenigstens das gethan! Ja, seit die Mutter todt ist, Gott hab sie selig, geht Alles drunter und drüber, und wenn ich mich net selber um die Sach’ bekümmere, so hört’s am

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